So wie beim SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender, Richterin in Berlin. Ein Interview zur Ökumene im Alltag.
KNA: Frau Büdenbender, Herr Steinmeier, Sie haben sich während des Studiums kennengelernt. Können Sie sich erinnern, ob oder wann Ihre konfessionelle Herkunft für Sie Gesprächsthema wurde?
Büdenbender: Richtig handfest wurde das erst zum Thema, als unsere Tochter Merit geboren wurde. Da ging es nicht um die Frage, ob sie getauft wird, sondern um die Frage nach welcher Konfession. Dann allerdings hatten wir kaum endende Diskussionen.
Steinmeier: Ja, aber Thema war das ziemlich von Anfang an. Ehrlich gesagt: Als ich meine heutige Frau kennenlernte, ging ich eigentlich davon aus, mit einer Siegerländerin eben eine Protestantin kennen gelernt zu haben.
Büdenbender: Aber ich komme aus einer kleinen katholischen Enklave des Siegerlandes, umringt von ganz überwiegend protestantischen Gebieten....
Steinmeier: Beim ersten Kennenlernen haben wir sicher nicht über unsere Konfessionen geredet. Aber spätestens dann, als wir über unsere Jugend auf dem Land - ich in Lippe/Detmold, Du im Siegerland - sprachen, war klar, dass es da Unterschiede gibt. Mit meinen Geschichten aus dem Konfirmandenunterricht und der evangelischen Jugendarbeit konntest Du wenig anfangen.
KNA: Haben Sie da Mentalitätsunterschiede gespürt?
Steinmeier: Als wir über Kirche und Religion sprachen, habe ich jedenfalls deutlich gespürt, dass meine Frau aus einem Elternhaus kommt, in dem die Konfession nicht allein im Familienstammbuch steht. Dort spielten Kirche und Religion im Alltag eine viel größere Rolle als in meinem Elternhaus.
KNA: Inwiefern?
Büdenbender: Meine Großmutter und meine Mutter, die heute beide verstorben sind, waren sehr gläubig. Sie sind die Frauen, die mich am stärksten geprägt haben. Es waren liebevolle, zugewandte Menschen. Dann nimmt man den Glauben natürlich an. Auch für meinen Vater stand der regelmäßige Kirchgang nie in Frage. Und ich war in einer Jugendgruppe, das gehörte bei uns einfach dazu.
Steinmeier: Mein Vater ist im evangelisch-reformierten Lippe geboren und geblieben. Meine Mutter kommt aus dem evangelischen Teil Schlesiens, in Breslau geboren, als Flüchtlingskind ins Westfälische gekommen. Und ich freue mich, dass ich beide noch habe.
KNA: Haben Sie kirchlich geheiratet?
Büdenbender: Bisher nicht, die Entscheidung über die Taufe unserer Tochter war schon sehr ausführlich.
KNA: Als die Taufe Ihrer Tochter anstand - wie kam es zur Entscheidung?
Steinmeier: Das war nicht einfach. Im vorigen Jahr haben wir diese Frage bei «Kerner» im Fernsehen etwas flapsig beantwortet, aber es war in der Tat nicht einfach!
Büdenbender: Es war ein ernsthafter Entscheidungsprozess. Und natürlich haben wir über das typisch evangelische und das typisch katholische gestritten. Aber ich gebe zu: Am Ende war das auch eine Frage der handelnden Person. In diesem Falle eines klugen und engagierten Pastors der evangelisch-reformierten Gemeinde in Berlin Neukölln, der sich vom ersten Tag nach unserem Umzug nach Berlin intensiv gekümmert hat. Ein liebevoll zugewandter Mensch der uns auch in schweren Zeiten immer zur Seite gestanden hat.
Steinmeier: Eine schnelle Entscheidung wäre zwischen uns auch gar nicht möglich gewesen. Ich bin praktizierender Protestant. Mir war nicht gleichgültig, wie unsere Tochter getauft wird. Und meiner Frau fiel es auch nicht einfach, zu akzeptieren, dass das Kind nicht katholisch getauft wird - was ich verstanden habe. So erklärt sich, dass die Person des Pastors eine wichtige Rolle bekam. Eben für uns beide.
Büdenbender: Mit den Jahren ist es dann schon so, dass man in so einer Beziehung eher das «christlich» statt des «katholisch oder evangelisch» betont. Natürlich sehe ich die wichtigen theologischen und liturgischen Unterschiede. Aber das Gemeinsame überwiegt mittlerweile stark in einer Gesellschaft, die immer weiter säkularisiert ist und in der man schauen muss, wo man Werte findet.
Und da lege ich großen Wert auf das Christsein und nicht auf die Konfession. Dabei könnte ich mir nie vorstellen, aus der katholischen Kirche auszutreten. Ich habe das alles in so guter Erinnerung, dass ich einfach dabei bleibe. Das ist ein Teil von mir.
KNA: Würden Sie sich als konfessionsverbindend oder konfessionsverschieden bezeichnen?
Büdenbender: Das Verbindende überwiegt deutlich. Wir sind beide durch unsere christliche Erziehung geprägt. Das ist verbindend.
Steinmeier: Ich würde eindeutig auch konfessionsverbindend sagen, ohne dass man aufhört, auch die Unterschiede zu spüren. Es gibt einfach Züge, die in der konfessionellen Prägung wurzeln. Ich bin sehr durch die reformierte-evangelische Kirche geprägt. Meine Heimat war bis zur Aufnahme katholischer Flüchtlinge zu 100 Prozent durch reformierten Protestantismus geprägt. Menschen wie ich haben eine gewisse Nüchternheit in ihrer Haltung, reden etwas häufiger als andere von Vernunft und Verantwortung. Den emotionaleren Part in der Familie hat meine Frau.
KNA: Frau Büdenbender, wie geht das heute mit dem Kirchgang?
Büdenbender: Jetzt gehe ich regelmäßiger in die evangelische als in die katholische Kirche. Es wäre ja auch merkwürdig, sonntags in zwei verschiedene Kirchen zu gehen. Und ich fühle mich in der Gemeinde meines Mannes wohl.
KNA: Wurde in jüngerer Zeit Konfessionelles bei Ihnen Thema, der Streit um die Piusbruderschaft oder jetzt die Missbrauchsdebatte?
Büdenbender: Bei der Frage des Umgangs mit der Piusbruderschaft fühlte ich mich emotional von der Presse angegriffen. Mal ganz abgesehen von der Person dieses Bischofs Williamson war das - für mich nachvollziehbar - eine kirchenjuristische Frage. Da gingen die Medien ungerecht mit um. Dabei steht außer Frage, dass Williamson völlig unhaltbare Positionen vertritt und der Kirche überhaupt nicht gutgetan hat.
Steinmeier: Ja, da waren wir ziemlich einer Meinung. Die aktuelle Missbrauchsdebatte beschäftigt uns natürlich auch in der Familie. Unsere Tochter besucht eine konfessionelle Schule. Aber so bedrückend das Schicksal der Opfer ist und so sehr wir uns um Aufklärung und die Spätfolgen von Missbrauch kümmern müssen, so sehr glaube ich auch, dass wir die Diskussion verantwortlich führen müssen. Es darf nicht einfach um Entlarvungswellen gehen.
KNA: Jetzt läuft der Ökumenische Kirchentag. Was verbinden Sie damit?
Steinmeier: Aufgrund unserer verbindenden Konfessionalität ist uns Ökumene schon ein Anliegen. Ich werde auch zum Ökumenischen Kirchentag fahren. Aber persönlich warte ich jetzt nicht auf die großen Botschaften aus München. Ich würde mir einfach wünschen, dass es gemeinsam gelingt, die Weichen wieder neu zu stellen. Wir haben in den letzten Jahren in der Ökumene an Boden verloren. Woran das lag, darüber will ich jetzt keine billige Ursachenforschungen betreiben. Aber ich glaube, in einem Land, in dem wir nach der Verankerung von christlichen Werten suchen, wäre es ein Signal, wenn der Kirchentag wieder die Fähigkeit und die Bereitschaft der Kirchen zur Zusammenarbeit zeigt.
Büdenbender: Ja, es wäre ein Gewinn, wenn die Kirchen wieder enger zusammenrücken würden. Man muss die eigene Identität ja nicht aufgeben. Deshalb finde ich den Ökumenischen Kirchentag ein wunderbares Projekt.
Interview: Christoph Strack