Krankenkassen haben im Vorjahr einen Milliardengewinn erwirtschaftet

"Wir als Caritas in Köln sind ziemlich verblüfft"

Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkassen ist besser, als bislang vermutet. Neue Berechnungen des Gesundheitsministeriums weisen für 2009 einen Überschuss von rund 1,4 Milliarden Euro aus. Helene Maqua, Sozialrechtsexpertin beim Diözesancaritasverband im Erzbistum Köln, zeigt sich angesichts der Beitragserhöhungen im domradio.de-Interview überrascht.

 (DR)

domradio.de: Sie sind zuständig für Krankenhäuser, Altenheime und für die ambulante Pflege bei der Caritas. Wenn Sie das hören: ein Überschuss von 1,4 Mrd. Euro. Wie geht es Ihnen damit?
Helene Maqua: Also ich bin völlig erschlagen von der Summe, weil wir ja auf der anderen Seite immer die Einschränkungen der Krankenkassen mitbekommen. Z.B. können sich Familien, die ja sowieso eher am unteren Rande des Einkommens liegen, kaum die Zusatzbeiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen leisten. Erst recht nicht die zusätzlichen Leistungen, die Ärzte dann noch außerhalb des Versicherungsschutzes berechnen. Wenn wir dann hören, dass Heilpraktikerleistungen demnächst gar nicht mehr bezahlt werden sollen, dann sind wir als Caritas in Köln ziemlich verblüfft.

domradio.de: Noch sind die Regierungspläne der Bundesregierung nicht Gesetz. Der Streit könnte in Sachen Gesundheitsreform bei diesen aktuellen Zahlen nach der Sommerpause weiter gehen. Was würden Sie der Regierung angesichts dieses Überschusses dringend vorschlagen?
Maqua: Man sollte von den Plänen einer Gesundheitsreform erst einmal Abstand nehmen. Man sollte eine neue Berechnung starten und auch die Wohlfahrtspflege und die Caritas und die anderen Gesundheitsdienstleister mit ins Boot holen, die nicht an dem System verdienen möchten, sondern die zur Hilfe der Patienten und der Menschen in unserem Bistum und im Land da sind.

domradio.de: Mehrausgaben sind das Ergebnis vor allem für Geringverdiener bei dieser Gesundheitsreform. Wo müsste denn tatsächlich ganz konkret etwas reguliert werden im Gesundheitswesen?
Maqua: Im Gesundheitswesen sollte man auf die Familien achten. Es kann nicht angehen, dass Menschen zu uns in die Beratung kommen, die ihren Kindern keine ausreichende gesundheitliche Versorgung ermöglichen können. Es kann auch nicht angehen, dass in der Familienpflege gespart wird: Auf der einen Seite reden wir davon, junge Familien zu unterstützen, damit weniger Missbrauch an Kindern passiert, auf der anderen Seite werden uns diese Gelder gestrichen und wird unsere Arbeit unmöglich gemacht.

domradio.de: Jetzt sagen die Kassen: Nächstes Jahr wird die Wirtschaftkrise zu spüren sein, da sei es wichtig, dass sie sparen. Und das Geld helfe ihnen beim Aufbau der gesetzlich geforderten Rücklagen. Was halten Sie dagegen?
Maqua: Man kann natürlich wenig gegen Sparmöglichkeiten sagen. Natürlich sind wir auch dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beiträge wirtschaftlich verwalten. Auf der anderen Seite kann das aber nicht immer zu Lasten der Einrichtungen und Patienten gehen. Wir müssen in unseren Einrichtungen ja auch Tarifsteigerungen, die im kommenden Jahr anstehen, auffangen. Wenn wir das mit den existierenden Mitteln bewältigen müssen, kann das nur zu Lasten der Qualität in den Einrichtungen gehen - und das heißt zu Lasten der Patienten.

Interview: Monika Weiß