Papst bemüht sich in London um ökumenische Verbesserungen

Partner trotz Differenzen

Im geschichtsträchtigen Zentrum Großbritanniens, des Commonwealth und der anglikanischen Gemeinschaft hat Papst Benedikt XVI. am Freitag einen neuen Brückenschlag zu Gesellschaft, Politik und Kultur und insbesondere zur Ökumene gesucht.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Herzlich: Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams und Papst Benedikt XVI. (KNA)
Herzlich: Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams und Papst Benedikt XVI. / ( KNA )

Nacheinander standen ein Treffen mit Anglikaner-Primas Rowan Williams, eine Grundsatzrede vor Politikern und Intellektuellen in der Westminster Hall und ein ökumenischer Gottesdienst in Westminster Abbey auf dem Programm. Mit dem sorgfältig kalkulierten Dreierschritt wollte er auch in London das Gespräch der katholischen Kirche mit der Gesellschaft und den anderen Kirchen forcieren. Einen Dialog, zu dem er zuvor bereits in Paris, Wien, Prag oder vor der UNO in New York Beiträge auf hohem Niveau geleistet hat.



Primas Williams ging dem Gast aus Rom bei seiner Ankunft im Lambeth-Palast mit ausgebreiteten Armen entgegen. Bereits zwei Mal waren beide im Vatikan zusammengetroffen. Auch diese Begegnung solle in erster Linie die "beeindruckenden" Fortschritte des katholisch-anglikanischen Dialogs in den vergangenen 40 Jahren würdigen, betonte Benedikt XVI. in seiner Rede. Er wolle für die Freundschaft danken - und Probleme ausdrücklich ausklammern. Nun gehe es darum, dass der Dialog zwischen den seit 1534 getrennten Kirchen weitergeht und die Anglikaner und Katholiken ihre Zusammenarbeit für Frieden und Harmonie in der Welt fortsetzten.

Dabei seien die Kirchen der Treue zum Wort Gottes verpflichtet - ohne intellektuellen Konformismus oder leichtfertiges Nachgeben an einen Zeitgeist, wie der 83-jährige Pontifex unterstrich.



Benedikt XVI. wollte nicht neues Salz in die Wunden streuen und verzichtete bei seinem London-Besuch auf Details zu den aktuellen Problemen zwischen Katholiken und Anglikanern. Insbesondere die Weihe von Frauen zu Priestern und Bischöfen in vielen anglikanischen Kirchenprovinzen ist für die katholische Kirche inakzeptabel.

Irritiert ist Rom zudem über die US-Weihe eines erklärten Homosexuellen zum Bischof. Umgekehrt gibt es anglikanische Verstimmung darüber, dass die katholische Kirche seit Herbst 2009 jenen Anglikanern eine geistliche Heimat anbietet, die mit dem Kurs ihrer Kirche unzufrieden sind.



Vorerst offen blieb, welche Auswirkungen der Papstbesuch und die freundlichen Grüße und Gesten in London auf den belasteten katholisch-anglikanischen Dialog haben werden - ob sie, wie der Vatikan und sein neuer Ökumene-Minister Erzbischof Kurt Koch betonen, neue Impulse geben und die persönlichen Kontakte Benedikts XVI. verbessern können.



Zwischen dem Treffen in Lambeth Palace und einem ökumenischen Abendgottesdienst in Westminster Abbey platzierten die vatikanischen Reiseplaner die große "politische" Grundsatzrede des Papstes in der Westminister Hall. Sie wurde in ebenjenem Saal gehalten, in dem im 16. Jahrhundert der Prozess gegen den später hingerichteten Lordkanzler Thomas Morus (sowie weitere historische Ereignisse) stattfanden. Wie schon bei ähnlichen Reden in Paris oder Wien ging es Benedikt XVI. auch hier um das Verhältnis von Glauben und Vernunft.



Wirtschaftliche und politische Prozesse und Entscheidungen hätten stets eine moralische Konsequenz; das hatte der Papst bereits in seiner Sozialenzyklika klargestellt. Daher müssten Religion und Vernunft in einen Dialog treten; sie brauchten sie gegenseitig, so das katholische Kirchenoberhaupt. Der Religion kommt seiner Ansicht nach eine Korrekturfunktion für die Politik zu.



Auch bei seinem Aufenthalt in England wollte Benedikt XVI. seine Sorge über die zunehmende Zurückdrängung von Religion aus dem öffentlichen Leben unterstreichen. Für Christen bedeute es eine Diskriminierung, wenn sie mit Rücksicht auf Empfindlichkeiten von Andersgläubigen oder Atheisten ihre Feste, etwa Weihnachten, nicht mehr mit religiösen Symbolen öffentlich feiern dürften. Wenn Benedikt XVI. im multikulturellen Großbritannien eine neue Diskussion um Religionsfreiheit anstieße, wäre dies ein großer Erfolg für das gesellschaftliche Leben insgesamt, kommentierte ein britischer Publizist.