Diakonie-Chef Kottnik tritt zurück

Angeschlagene Aufgabe

Klaus-Dieter Kottnik hört als Präsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Schwabe verlangte dem Wohlfahrtsverband seit Februar 2007 einen tiefgreifenden Reformprozess ab, der auch bei dem Theologen selbst seine Spuren hinterließ. Zuletzt war er nicht nur gesundheitlich, sondern auch als Autorität angeschlagen.

Autor/in:
Markus Jantzer
 (DR)

Vor wenigen Wochen hatte Kottnik zwei wichtige Vertraute seines Netzwerks verloren. So trennte er sich im August von seinem persönlichen Referenten Walter Merz, nachdem bekanntgeworden war, dass dieser als leitender Angestellter der Diakonie ein Jahr lang zugleich Partner einer Beratungsfirma war, die auch die Diakonie beriet. Kottnik hatte zwar nach eigenen Angaben von Merz" Funktion in der Unternehmensberatung nichts gewusst, doch sein Ansehen nahm Schaden.



Hinzu kam, dass die Geschäftsführerin des Stuttgarter Beratungsunternehmens, Christiane Dithmar, seit Jahren in engem beruflichen Kontakt zu Kottnik stand. Sie hatte ihn schon beraten, als er Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten war. Kottnik leitete das diakonische Unternehmen in Baden-Württemberg mit 2.500 Mitarbeitern seit 1991, bevor er im Februar 2007 das Amt des Präsidenten beim diakonischen Bundesverband antrat.



Kaum war der Theologe in das Spitzenamt in der Stuttgarter Diakonie-Zentrale gewählt, startete er einen großangelegten Reformprozess in dem Wohlfahrtsverband. Der bisweilen sehr gemächliche Verband sollte schlanker und im politischen Berlin schlagkräftiger werden. Ziel war außerdem - und ist es noch immer -, den Sozialverband mit dem in Bonn ansässigen Evangelischen Entwicklungsdienst zu fusionieren. Für den gewaltigen Umbauprozess nahm die Diakonie die Dienste von Dithmar & Partner in Anspruch.



Als in diesem Sommer die untragbar enge Verflechtung zwischen der externen Beratungsfirma und Kottniks persönlichem Referenten Merz herauskommt, scheint es nur noch nebensächlich, dass Merz die Beratungsfirma schon längst verlassen hat. Die Diakonie hat nach eigenen Angaben keine Hinweise darauf, dass es bei der Auftragsvergabe an Dithmar & Partner zu Unregelmäßigkeiten kam. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersucht derzeit die Vorgänge.



Die sozial Schwachen verlieren einen wichtigen Vertreter

Kottnik, der aus einer evangelisch-freikirchlichen Familie kommt, trat am Anfang seines Theologiestudiums der württembergischen Landeskirche bei. Unmittelbar nach dem Studium schloss er sich der Kirchengemeinde eines sozialen Brennpunkts an. Danach vertiefte er seine Kenntnisse in sozialpolitischen Fragen beim Diakonischen Werk Württemberg.



Von 1984 bis 1991 arbeitete Kottnik in seiner Geburtsstadt Stuttgart als Gemeindepfarrer, um dann, wie er sagte, ein "sehr großes Wagnis" einzugehen: Als 39-Jähriger wechselte er den Beruf und wurde Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten in Kernen.



Mit dem plötzlichen Abgang Kottniks von der politischen Bühne verlieren die sozial Schwachen in Deutschland einen wichtigen Vertreter ihrer Interessen. Armutsbekämpfung war ihm als Diakonie-Präsident ein zentrales Anliegen. "Ich werde verrückt, wenn ich weiß, dass zwei Millionen Kinder in Armut leben - und zugleich über zu wenige Kinder in Deutschland geklagt wird", sagte er einmal in einem Interview. Kottnik äußerte sich am Tag seines Rücktritts nicht mehr zu den neuen Hartz-IV-Plänen der Bundesregierung, aber die Stellungnahme der Diakonie mit dem Titel "Eine Erhöhung von fünf Euro ist skandalös" könnte auch seiner Feder entsprungen sein.