Zwischenergebnisse beim Runden Tisch Missbrauch

Viele offene Fragen

Die heiklen Punkte kommen heute eher nebenbei zur Sprache. Der Runde Tisch der Bundesregierung zu sexuellem Missbrauch kommt im Justizministerium zu seiner zweiten Plenumssitzung zusammen. Dabei geht es vor allem um den Zwischenbericht der Missbrauchsbeauftragten der Regierung, Christine Bergmann.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Kontroverse Diskussionen wird es wohl Bericht aus der Arbeitsgruppe Recht geben. So bewerten nach wie vor das Justiz- und das Familienministerium die Frage einer Anzeigepflicht unterschiedlich; offen ist, ob und in welchem Maße von einer Anzeige abgesehen werden kann.



"Dicker Brocken": Entschädigungen

Auch der weitere Umgang mit Verjährung der Straftaten und die Frage nach einer Entschädigung für die Opfer ist nicht geklärt. Vor allem dieser Komplex gilt als "dicker Brocken" - wobei sich das öffentliche Interesse von der katholischen Kirche allmählich auch auf andere Institutionen zu verlagern scheint, in denen es ebenfalls Missbrauchsfälle gab.



Zur Erinnerung: Von der Berliner Jesuitenschule Canisiuskolleg ging Ende Januar die Debatte um Fälle vergangener Jahrzehnte aus und traf bald die meisten deutschen Bistümer. Dem folgten staatliche oder private Einrichtungen.



Politik macht Kirche Druck

Bei den Themen Entschädigung und Anzeigepflicht machte die Politik der Kirche Druck - und zeigt sich selber heute noch unschlüssig über das weitere Vorgehen. So wird die katholische Seite ihrerseits an diesem Donnerstag ein Konzept zur Entschädigung vorlegen.



Auch wenn es noch wenig konkrete Ergebnisse der seit April allmählich angelaufenen Beratungen gibt: Das Thema der sexualisierten Gewalt ist in den Fokus geraten. Der Ulmer Mediziner Jörg M. Fegert verglich die Notwendigkeit, sich der Traumata durch Missbrauch auch wissenschaftlich zu stellen, am Mittwoch mit der Bewältigung des 11. September in den USA, der die Nation fortdauernd verunsichere.



Wissenschaftliches Licht ins Dunkel

Und Bundesforschungsministerin Annette Schavan stellt nun 32 Millionen Euro für große Projekte bereit, die wissenschaftliches Licht ins Dunkel des Themas bringen sollen. "Wir fangen in Deutschland ja nicht bei Null an", sagt Fegert. Aber bislang war das Missbrauchsthema ungeliebt, finanziell wenig gefördert und für Wissenschaftler eher Ballast bei der weiteren Karriere.



Eine wesentliche Entwicklung der vergangenen Monate ist die allmähliche Vernetzung von Opfern. Seit Ende Mai gibt es - auch sprachlich dem "Runden Tisch" entgegengesetzt - einen "Eckigen Tisch" von Betroffenen aus Einrichtungen der Jesuiten, der Vertreter des Ordens und Opfer zusammenbringt. Und am Wochenende tagten in Berlin, hinter verschlossenen Türen, gut 100 Menschen, denen sexuelle Gewalt in der Familie, im nahen Umfeld oder in Institutionen angetan wurde.

Opfer fordern stärkere Einbindung

Zwei seit vielen Jahren tätige Initiativen, die Frauenselbsthilfeeinrichtung "Wildwasser" und die Anlaufstelle für männliche Missbrauchsopfer "Tauwetter", hatten den Kongress "Aus unserer Sicht" organisiert. Deren Vertreter werden nun im Ministerium ein neunseitiges Positionspapier vorlegen, das im Kern auf ein gesellschaftliches Umdenken und eine stärkere Einbindung von Betroffenen bei der Aufarbeitung hinausläuft.



Alle Teilnehmer seien sich einig gewesen, "dass sich die sexualisierte Gewalt nicht auf ein individuelles Problem reduzieren lässt, sondern die gesellschaftlichen Strukturen als Ursachen und Hintergrund sexualisierter Gewalt hinterfragt werden müssen".



Klamme Situation der Beratungseinrichtungen

Den Organisationen geht es, unter anderem, um flächendeckende und finanziell abgesicherte Beratungs- und Therapieangebote, auch um eine Abkehr von skandalisierenden Darstellungen in den Medien. Bei dem Berliner Kongress wurde zugleich die klamme Situation der Einrichtungen deutlich. Bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung, anders als in früheren Jahren, solche Arbeit künftig stärker fördern wird.