CSU-Landesgruppenchef Friedrich zum Gespräch mit den Kirchen

«Weiter auf diesem Weg»

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, hat das Bemühen der katholischen Kirche um Aufarbeitung des Missbrauchsskandals als vorbildlich und verantwortungsvoll bewertet. Dabei leugne die Kirche nicht die Unvollkommenheit der handelnden Personen in den eigenen Reihen.

 (DR)

KNA: Herr Friedrich, die Union befasst sich verstärkt mit dem christlichen Menschenbild. Warum?

Friedrich: Verantwortliche Parteien lassen sich nicht von den täglichen Einzelentscheidungen fesseln. Sie haben immer ihre Fundamente im Blick. Wir wollen in der gemeinsamen Fraktion von CDU und CSU den großen Kompass für unser politisches Handeln kenntlich machen. Die Sehnsucht, auch über dieses Fundament zu reden, spürt man überall bei den Parteimitgliedern.



KNA: Vor einer Woche gab es in Berlin eine große Auftaktveranstaltung der Unionsfraktion zum Dialog mit den Kirchen. War da ausreichend Spannung?

Friedrich: Dieser Kongress hat deutlich gezeigt, wie begeistert einerseits und erleichtert andererseits die Christen in der Bevölkerung es aufnehmen, dass wir das Thema wieder stärker ansprechen. Auch die beiden führenden Kirchenvertreter haben die Ernsthaftigkeit honoriert, mit der CDU und CSU sich dieses Themas annehmen. Es gab eine großartige Diskussion auf dem Podium. Und die ausgesprochen gute Resonanz im Anschluss ermutigt uns, auf diesem Weg weiterzugehen.



KNA: Erzbischof Zollitsch hat davor gewarnt, "christlich" mit "konservativ" gleichzusetzen...

Friedrich: Dass beides nicht identisch sein muss, stimmt. Christen sind aber durchaus wertkonservativ, weil sie an über Jahrhunderten gewachsenen Wertmaßstäben der christlich-jüdischen Kultur festhalten. Die Bibel spielt bei der Entstehung dieser Kultur eine überragende Rolle.



KNA: Zollitsch hat auch dankbar auf Gemeinsamkeiten zur Union hingewiesen. Würden Sie sich manchmal wünschen, dass die kirchliche Seite Gemeinsamkeiten stärker betont?

Friedrich: Bislang ist es sicherlich so, dass einzelne kritische kirchliche Stimmen gelegentlich aus dem Zusammenhang gerissen und publiziert werden und dann der Eindruck entsteht, es gäbe einen Graben zwischen den C-Parteien und der Kirche. Das stimmt so nicht. Wenn man den Dialog im Zusammenhang sieht, wird das auch ganz deutlich. Dass die Kirche über das Tagesaktuelle hinaus immer mal wieder einige grundsätzliche Bemerkungen und Mahnungen an uns hat, zwingt uns immer wieder auch zur kritischen Auseinandersetzung mit uns selbst. Aber es wird dabei immer wieder deutlich, wie intensiv die Gemeinsamkeiten sind.



KNA: Einzelne Bischöfe beider Kirchen kritisieren die Pläne zur Kernenergie, von beiden Kirchen kommt Kritik an den Hartz-IV-Regelungen.

Friedrich: Das sind Einzelfragen, aber die Kritik gefährdet nicht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. In solchen Sachfragen wird es immer mal Meinungsunterschiede geben. Und es wird immer mal Theologen geben, die ganz gut begründen können, warum wir Kernenergie, die immerhin CO2-frei Strom liefert, nutzen müssen und deren Nutzung verantwortbar ist. Viel entscheidender ist, dass wir über die Tagespolitik hinaus ein gemeinsames, das christliche Menschenbild haben, dem wir verpflichtet sind. Wir wissen: Der Mensch ist nicht vollkommen, sondern muss in dem Begriffspaar "Freiheit und Verantwortung" leben und politisch handeln.



KNA: Die Frage der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik im Reagenzglas, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), könnte für neuen Sprengstoff zwischen Kirche und Union sorgen.

Friedrich: Das Thema ist ausgesprochen schwierig, was ja auch daran deutlich wird, dass sich der Deutsche Ethikrat nun schon zum zweiten Mal der Bewertung des Themas widmet. Es ist richtig, gefühlsmäßig in einer ersten Reaktion zunächst mal stopp zu sagen. Innezuhalten und zu fragen: Was machen wir da eigentlich? Ist das noch richtig? Da wird doch der Schritt zwischen einem berechtigten Anliegen von Eltern und der Züchtung von Menschen ganz klein. Auf jeden Fall wird es eine sehr schwierige Diskussion, die uns lange beschäftigen wird und wahrscheinlich noch heftiger wird als bei der Entscheidung zur Stammzellforschung. Ich vermute, dass wir auch in den Kirchen unterschiedliche Bewertungen erleben werden.



KNA: Seit Anfang des Jahres erschüttern Missbrauchsskandale Kirche und Gesellschaft. Wie bewerten Sie das kirchliche Bemühen um Klärung?

Friedrich: Die Kirche geht vorbildlich und verantwortungsvoll mit der Aufarbeitung um und leugnet nicht die Unvollkommenheit der handelnden Personen in den eigenen Reihen. Das ist offen, ehrlich und glaubwürdig. Darauf kommt es an. Ich wüsste nicht, was man da noch besser machen könnte.



KNA: Wird dieses Thema die Rolle der Kirche als moralischer Autorität, auch als Ansprechpartner der Politik nachhaltig schwächen?

Friedrich: Dass die Kirche nicht mehr eine von der Gesellschaft automatisch anerkannte Autorität ist, hängt eher mit grundlegenden gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen. Autoritäten werden seit 40 Jahren in Deutschland mit großer ideologischer Inbrunst bekämpft. Das ist ein Grundübel unserer Gesellschaft.



KNA: Im vorigen Jahr gab es andauernde Spannungen zwischen der Politik und der Kirche - Stichwort Piusbruderschaft. Sind die beigelegt?

Friedrich: Wir haben natürlich auch als Politiker, die in der Basisarbeit vor Ort verwurzelt sind, gespürt, dass es da Unruhe auch unter unserer Mitglieder- und Anhängerschaft gab. Aber das hat sich wieder beruhigt, auch nach den sehr eindeutigen Worten seitens der führenden Politiker.



Das Gespräch führte Christoph Strack.