CDU-Parteitag spricht sich für ein Verbot der PID aus - Katholiken erfreut

Sternstunde mit Fragezeichen

Der CDU-Parteitag hat sich mit äußerst knapper Mehrheit für ein Verbot von genetischen Tests an Embryonen ausgesprochen. Nach einer intensiven dreieinhalbstündigen Debatte, votierten 408 Delegierte am Dienstag in Karlsruhe gegen die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID). 391 stimmten dafür, die PID "in engen Grenzen für Paare mit schweren genetischen Vorbelastungen" zuzulassen. Den Antrag der Parteitagsleitung, auf eine Entscheidung zu verzichten, lehnten die Delegierten ab.

 (DR)

Angela Merkel war sich der Sprengkraft der Entscheidung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) bewusst. Deshalb drängte die Parteivorsitzende die Delegierten des 23. Bundesparteitags der CDU in Karlsruhe, das Thema ohne Beschränkungen der Zeit oder Rednerliste zu behandeln. Dass dadurch die gesamte Terminplanung aus den Fugen geriet, nahm sie in Kauf. Ernsthaftigkeit und Niveau der Auseinandersetzung gaben ihr recht. Anschließend sprach sie von einer "Sternstunde" - die aber auch eine neue Konstellation der Partei andeutet.



Nach dreieinhalbstündiger Debatte fiel eine ebenso knappe wie bemerkenswerte Entscheidung: Denn die Partei hatte sich vor gerade mal drei Jahren in ihrem Grundsatzprogramm für ein Verbot ausgesprochen. Nun stehen nur noch 408 Delegierte hinter dieser Entscheidung. 391 (knapp 49 Prozent) votierten für eine Freigabe "in engen Grenzen für Paare mit besonders schwerer genetischer Vorbelastung". Anlass für die neue Auseinandersetzung waren dabei nicht neue wissenschaftliche Erkenntnissen, sondern allein eine überraschende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Sommer, wonach die PID nach geltendem Recht nicht strafbar ist.



Debatte an der "Seele der Partei"

Dass es sich bei Gentests an Embryonen um einen noch tiefgreifenderen Einschnitt als beim Stammzellgesetz handelt, machte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe,

deutlich: Erstmals müsse der Gesetzgeber entscheiden, ob er erlaubt, "dass Embryonen vernichtet werden". Verständlich also, dass für Bundestagspräsident Norbert Lammert die Debatte "an die Seele der Partei rührt".



Die emotionale Diskussion ließ nicht immer klar erkennen, in welche Richtung sich der Parteitag entscheiden würde. So war das Votum durchaus der Überzeugungskraft einiger Redner geschuldet. Die Bundesministerinnen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder, die die Befürworter der PID anführten, hoben vor allem auf das Leid vorbelasteter Paare und ihren existenziellen Wunsch nach einem gesunden Kind ab.



Schröder nannte die Vernichtung von Embryonen das "kleinere Übel" gegenüber der Spätabtreibung. Andere Redner sahen einen Widerspruch darin, dass der Gesetzgeber eine Genanalyse außerhalb des Mutterleibs verbiete, im Mutterleib aber zulasse. Hieran nahm auch Bundestagspräsident Norbert Lammert Anstoß. Er wandte sich gegen ein "rigides Verbot" der PID und plädierte für den Verzicht auf Strafbewährung. Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller sprach sich gegen eine Bestrafung aus, verlangte aber ein grundsätzliches Verbot der PID.



Merkel griff nicht ein

Fraktionschef Volker Kauder gehörte zu den leidenschaftliche Befürwortern eines völligen Verbots. Für ihn steht eine "Relativierung" des Lebensschutzes auf dem Spiel. Nach der Verschmelzung von Samen und Eizelle "gibt es keinen qualitativen Sprung mehr", begründete er die Forderung nach Lebensschutz von Anfang an. Von dieser Grundsatzentscheidung ausgehend, warnten die Befürworter eines Verbots vor einem Dammbruch und verwiesen auf entsprechende Entwicklungen im Ausland.



Einen Vergleich der PID mit Abtreibung wies Günter Krings zurück. Bei Abbrüchen herrsche eine existenzielle Konfliktsituation, die mit der PID erst technisch hergestellt werde. Vor allem aber warnten zahlreiche Delegierte davor, dass der Bundestag eine Liste von Krankheiten erstellen müsse, die eine Vernichtung von Embryonen erlaubt. Dies führe unweigerlich zur Diskriminierung unzähliger Behinderter, die an entsprechenden Krankheiten leiden.



Merkel griff nicht in die Debatte ein. Sie hatte in ihrer Parteitagsrede am Montag ein Verbot befürwortet, aus Sorge, dass eine Begrenzung nicht durchzuhalten sei. Unter rein politischen Erwägungen dürfte ihr die knappe Entscheidung entgegenkommen. Mit Blick auf die anstehende Debatte im Parlament deutet die Parteitagsentscheidung eine Wende zugunsten einer begrenzten Zulassung der PID an. Denn bislang hatte sich die CDU stets als die Partei verstanden, die in besonderer Weise dem Lebensschutz verpflichtet ist. Jetzt deutet das Votum mit so knapper Ablehnung letztlich in die andere Richtung.



Bischofskonferenz: "Respekt und Dankbarkeit" gegenüber CDU

"Mit Respekt und Dankbarkeit" hat die Deutsche Bischofskonferenz auf den CDU-Parteitagsbeschluss für ein striktes Verbot von Gentests an Embryonen reagiert. Der Vorsitzende der Unterkommission Bioethik der Bischofskonferenz, Bischof Gebhard Fürst, erklärte in Rottenburg, der Beschluss trage dem ethischen Grundsatz Rechnung, dass menschliches Leben zu keinem Zeitpunkt als "wertneutrales Ding" betrachtet und zur Disposition gestellt werden dürfe.



Fürst verkennt nach eigenem Bekunden nicht die Ernsthaftigkeit, mit der in der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) auch humanitäre Argumente vorgebracht würden. Doch könne es keine Güterabwägung zwischen dem Leben oder der Tötung vom Embryonen geben. Das Ja zur uneingeschränkten Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende sei ein ethisches Fundament, auf das eine Gesellschaft nicht verzichten könne, wolle sie nicht ihren innersten Zusammenhalt der Beliebigkeit preisgeben.



Katholikenkomitee für Verbot von Gentests an Embryonen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat das Votum des CDU-Parteitags gegen Gentests an Embryonen begrüßt. ZdK-Präsident Alois Glück rief am Dienstag in Bonn die CDU-Bundestagsabgeordneten auf, sich im Sinne des Beschlusses für ein gesetzliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik einzusetzen.



Das Lebensrecht von Embryonen dürfe nicht von möglichen genetischen Beeinträchtigungen abhängig gemacht werden, so Glück. Er sei davon überzeugt, "dass die im Grundgesetz verbürgte Würde jedes Menschen eine Selektion verbietet". Ähnlich äußerten sich die katholischen Studenten. Eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik berge "unabschätzbare Risiken und Folgen", so Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV). Der Dachverband sprach sich für eine rasche und eindeutige gesetzliche Regelung aus. Der AGV ist nach eigenen Angaben mit rund 10.000 Mitgliedern der größten Zusammenschluss katholischer Studenten in Deutschland.



Kritik aus FDP und SPD

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte den Beschluss des Parteitags deutlich. Wer von vorneherein ein Verbot der PID fordere, gefährde den Weg für die notwendige gesellschaftliche Diskussion. "Eine einseitige Verbotsdiskussion läuft Gefahr, statt Aufklärung Ängste zu befördern", sagte die Ministerin. Notwendig sei hingegen eine Debatte ohne Denkverbote.



Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, bedauerte die Entscheidung des CDU-Parteitags. Sie sei rückwärtsgewandt und werde den Sorgen von jungen Eltern in schwierigen Grenzsituationen des Lebens nicht gerecht. Er sei allerdings zuversichtlich, dass es im Bundestag eine Mehrheit für die begrenzte Zulassung der PID geben werde.



Diese Hoffnung äußerte auch die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach. Sie würdigte gleichzeitig die "engagierte und sachliche Debatte der Union", die uneingeschränkten Respekt verdiene. Die Diskussion habe deutlich gemacht, dass es richtig sei, die Entscheidung im Bundestag frei zu geben.