Caritas zieht Bilanz der Haiti-Hilfe

"Wir können staatliches Handeln nicht ersetzen"

Es war das verheerendste Erdbeben dieses Jahrhunderts, das sich am 12. Januar 2010 auf Haiti ereignete. Die Kirche schätzt die Opferzahlen auf bis zu 500.000. Um die Hilfe zu bündeln, haben sich die deutschen Hilfsorganisationen zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Für Caritas International zieht Caritas-Präsident Prälat Peter Neher im domradio.de-Interview Bilanz.

"Allein die Caritas hat 19 Millionen Euro von privaten Spendern erhalten" (DR)
"Allein die Caritas hat 19 Millionen Euro von privaten Spendern erhalten" / ( DR )

domradio.de: Fast ein Jahr ist das Beben auf Haiti nun her, zuletzt gab es aus Haiti Schlagzeilen über Cholera-Erkrankungen. Wie würden Sie die Situation auf Haiti derzeit beschreiben?

Neher: Die Lage ist nach wie vor schwierig, wir dürfen nicht vergessen, dass es ein Land getroffen hat, das schon vor dieser riesigen Katastrophe in einem sehr desolaten Zustand war, von unzureichendem Regierungshandel bis zu einer Zivilgesellschaft mit Schwierigkeiten. Die Caritas hat schon sehr viel übernommen, den Aufbau von ambulanten Diensten, von Krankenhäusern und unmittelbare Gesundheitsvorsorge, um die Cholera zu bekämpfen. Wichtig ist, die Bevölkerung insgesamt aufzuklären und vorsorglich die Cholera zu bekämpfen, denn die gesamten Sanitärsysteme sind zerstört oder waren nie da.



domradio.de: Was hat die Hilfe der deutschen Hilfsorganisationen Jahr auf Haiti bewirkt?

Neher: Ich bin sehr dankbar für die große Spendenbereitschaft, allein die Caritas hat 19 Millionen Euro von privaten Spendern erhalten. Wir konnten dafür für 100.000 Menschen Zelte errichten und Nahrungsmittel für mehrere Millionen bereitstellen und 350.000 Personen mit unseren Gesundheitsdiensten versorgen. Das war die Nothilfe und jetzt gilt es langfristig in einzelnen Gegenden in der Altenhilfe, der Behindertenarbeit und besonders für Menschen, die schon vor der Katastrophe am Randes standen und jetzt noch mehr, mittel und langfristig wieder eine Perspektive zu schaffen.



domradio.de: Hält die Spendenbereitschaft denn an?

Neher: Natürlich nicht so, wie direkt nach der Katastrophe. Es muss ja mit einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren für den Wiederaufbau gerechnet werden und unser Ziel ist es jetzt erst einmal, das Geld was wir haben, sinnvoll einzusetzen mit unseren Partnern vor Ort.

           

domradio.de: Wie kooperiert denn die Regierung vor Ort?

Neher: Es ist schwierig, es gibt verschuldete und unverschuldete Gründe für die Probleme bei der Versorgung der Menschen. Viele Staatsbeamte sind ja auch ums Leben gekommen, viele Mitarbeiter, die es gar nicht mehr gibt. Aber es ist sicher auch die Unfähigkeit, jetzt für die entsprechenden Strukturen zu sorgen. Deshalb hoffen wir sehr, dass die Präsidentschaftswahlen zu einem Erfolg führen und wieder klare Regierungsverhältnisse hergestellt werden. Denn wir können staatliches Handeln nicht ersetzen.



domradio.de: Was muss als nächstes von den deutschen Hilfsorganisationen in Haiti angegangen werden? Was sind die drängendsten Probleme?

Neher: Für uns sind das die Projekte, die wir eingeleitet haben: die Versorgung alter und behinderter Menschen. Wir sind weiter im Hausbau beschäftigt, dafür müssen Besitzverhältnisse geklärt werden. Es braucht gewisse staatliche Grundlagen, es muss Baugrund zugewiesen werden, um dann auch tatsächlich die Menschen aus den Notunterkünften herauszuholen und wieder in Häuser zu bringen. Wichtig ist, dass die Menschen wieder Selbstbewusstsein aufbauen und nicht nur auf Hilfe von außen warten selber ins Handeln kommen. Sie müssen durch die Hilfe von außen ihre gesamten Lebensmöglichkeiten wieder in die Hand nehmen, von der Versorgung über die Schule bis hin zur Arbeit. Das können wir nur mit den Betroffenen leisten.