Neuer Bundesdienst soll Zivildienst zur Jahresmitte ersetzen

"Kultur der Freiwilligkeit"?

Familienministerin Kristina Schröder zeigt sich zuversichtlich, dass Freiwillige den Wegfall des Zivildiensts zum 1. Juli weitgehend wettmachen können. Jährlich 35.000 Kandidaten für den neuen Bundesfreiwilligendiensts zu finden, sei ehrgeizig, aber machbar, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag im Bundestag. Sie warb für eine neue "Kultur der Freiwilligkeit". Die Caritas hat da Zweifel.

 (DR)

Der Bundesfreiwilligendienst soll ab 1. Juli 2011 den Zivildienst ersetzen, der mit der Aussetzung der Wehrpflicht wegfällt. Gab es zuletzt noch etwa 90.000 Zivis in sozialen Einrichtungen, so sieht der Freiwilligendienst rund 35.000 Stellen vor. Hinzu kommen etwa genauso viele Stellen für das Freiwillige Soziale oder das Freiwillige Ökologische Jahr, das die Länder organisieren. Die Bedingungen sollen in etwa gleich sein. Der Bund stellt für beide Dienste rund 350 Millionen Euro bereit.



Der neue Dienst stehe nicht nur jungen Männern, sondern auch Frauen und Älteren offen, die aus eigener Motivation heraus aktiv würden, lobte Schröder in der ersten Lesung des zugehörigen Gesetzes. Um genügend Freiwillige zu finden, seien passgenaue Angebote nötig, auch für Menschen mit Migrationshintergrund. "Vor uns liegt jetzt eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe", sagte die Ministerin.



Opposition kritisiert Doppelstruktur

SPD und Grüne kritisierten vor allem die überstürzte Einführung des neuen Dienstes und die Doppelung mit den von den Ländern organisierten Diensten. Die Bundesregierung habe die Träger verunsichert, sagte die SPD-Politikerin Kerstin Griese. Denn noch immer sei unklar, wie die Dienste künftig aussähen.



Das Gesetz sei Flickschusterei, sagte auch der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring. Kernkritikpunkt bleibe, dass nicht die bewährten Freiwilligendienste ausgebaut, sondern ein "staatsfixierter Bundesdienst" zusätzlich eingeführt werde.



Schröder wies die Kritik zurück. Die Länder hätten schlicht nicht die 300 Millionen Euro bereitstellen wollen, die der Bund nun für den Bundesdienst ausgibt.



Die Linke lehnt den neuen Bundesfreiwilligendienst grundsätzlich ab, wie die Abgeordnete Heidrun Dittrich sagte. Zwar seien die Zwangsdienste nicht erhaltenswert. Doch sei zu befürchten, dass die neuen billigen Freiwilligen normale Arbeitsplätze verdrängen. Betroffen vom Wegfall wären vor allem Frauen. "Das ist ein Skandal, was sie den Frauen zumuten", meinte Dittrich.



Interesse noch unklar

Die großen Wohlfahrtsverbände bezweifeln, dass der neue Freiwilligendienst die Personallücken nach Wegfall des Zivildiensts stopfen kann. "Unsere Dienste und Einrichtungen sind hochgradig verunsichert", sagte der Zivildienstexperte der Caritas, Michael Bergmann, der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. "Wir wissen nicht, wie viele sich melden, wenn die Dienstpflicht wegfällt."



Auch der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Werner Hesse, sagte: "Wie groß das Interesse ist, lässt sich noch überhaupt nicht sagen." Auch sei der Vorlauf für die Einführung kurz. Auch Caritas-Experte Bergmann sagte, die von der Regierung geplante große Werbekampagne komme im Mai zu spät.