Regierungsberater setzen auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ein Zeitalter ohne Atom, Kohle und Öl

Regierungsberater halten künftig eine Energieversorgung ohne Atomkraft, Kohle und Erdöl für möglich. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) fordert in seinem neuesten Gutachten einen umfassenden Gesellschaftsvertrag zur Erreichung einer nachhaltigen und demokratischen Industriegesellschaft.

 (DR)

Am Donnerstag überreichte der WBGU das Hauptgutachten "Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation" an Umweltminister Norbert Röttgen und Forschungsministerin Annette Schavan. Die beiden CDU-Politiker werteten die Studie als Unterstützung in der aktuellen Energiedebatte.



"Die Vorschläge des WBGU unterstützen uns bei den jetzt anstehenden Maßnahmen beim Ausbau der erneuerbaren Energien, bei der Energieeffizienz und beim Klimaschutz", sagte Röttgen. Auch Schavan betonte: "Gerade jetzt hilft uns das Gutachten beim anstehenden Umbau der Energieversorgung."



Bis Mitte Juni will die Bundesregierung über die zukünftige Energieversorgung beraten. In dieser Zeit werden zugleich die deutschen Kraftwerke auf ihre Sicherheit überprüft. Die sieben ältesten Meiler wurden hierfür vorübergehend stillgelegt.



Koalitionspolitiker warnen vor übereiltem Atomausstieg

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs plädierte in der "Leipziger Volkszeitung" dafür, die Alt-Meiler nach Ablauf der drei Monate wieder ans Netz zu nehmen. "Ein Moratorium ist eine Denkpause. Ich hoffe, dass wir die als sicher erkannten Meiler nach der Denkphase wieder anschalten", sagte er. Mit einem Katalog von rund 80 Fragen verlangt Fuchs von der Bundesregierung Aufklärung über den künftigen Kurs in der Energiepolitik.



Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagte der Nachrichtenagentur dapd, es habe keinen Sinn, bereits jetzt einen genauen Zeitplan für das Abschalten des letzen Kernkraftwerks in Deutschland festzulegen. Vielmehr müsse zunächst ein "durchgerechnetes Konzept" erarbeitet werden, das auch die Möglichkeiten von Ersatz-Energieträgern aufzeige.



CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte die Regierung in der "Süddeutschen Zeitung" dazu auf, sich bis zum Ende des Moratoriums für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken Mitte Juni auch auf ein Milliardenprogramm an Investitionen festzulegen.



FDP-Generalsekretär Christian Lindner zeigte sich überzeugt, dass die derzeit stillgelegten Kraftwerke "nahezu ausnahmslos nicht mehr ans Netz gehen". Allerdings verwies er zugleich darauf, dass moderne Anlagen voraussichtlich "bis Ende des nächsten Jahrzehnts" benötigt würden. Die FDP wolle "schneller raus aus der Atomenergie". Es müsse aber "rational, realistisch zugehen", sagte Lindner der WAZ-Mediengruppe.



Berater fordern Ende von Atomkraft, Kohle und Öl

Die Mitglieder des WBGU plädieren hingegen für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft - ohne verstärkte Nutzung von Kohle und Öl. "Das fossil-nukleare System muss durch ein effizient-erneuerbares System ersetzt werden", betonte der Vorsitzende des Beirats, Hans-Joachim Schellnhuber, in Berlin. Er fügte hinzu, dass ein Ausstieg aus der Atomkraft sicherlich bis 2020 vollendet werden könne.



Nach Ansicht Schellnhubers würden bei einem Umstieg auf erneuerbare Energien und einer effizienten Energienutzung "nicht alle Lichter ausgehen". Stromeinsparungen von bis zu 40 Prozent seien möglich.



Auch die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) geht davon aus, dass ein Atomausstieg bis zum Jahr 2020 machbar ist. Im Stromsektor könnten demnach jährlich 68,3 Milliarden Kilowattstunden Strom eingespart werden, im Wärmebereich 155 Milliarden Kilowattstunden.



In einer ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Studie kommt die Umweltorganisation Greenpeace zu dem Schluss, dass Deutschland sogar bis 2015 aus der Atomkraft aussteigen könne, "ohne dass dadurch negative Folgen für die Sicherheit der Stromversorgung, den Klimaschutz oder die Energiekosten entstehen". Alles andere wäre "ein fauler Kompromiss", sagte Andree Böhling, Energie-Experte bei Greenpeace.