Mit seinen großen wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen dürfe das Land nicht vor dem Flüchtlingsansturm zurückschrecken, sagte der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates, Erzbischof Antonio Maria Veglio, im Interview mit Radio Vatikan. Italien besitze durchaus noch Kapazitäten.
Die gegenwärtigen Ereignisse könnten zwar für sich genommen "dramatisch" erscheinen, hob Veglio hervor. In einem größeren Zusammenhang stelle sich die Lage mit Blick auf die Aufnahmefähigkeit Italiens jedoch weniger katastrophal dar. Der päpstliche Flüchtlingsbeauftragte verwies darauf, dass im vergangenen Jahr im internationalen Vergleich nur eine geringe Zahl von Migranten nach Italien gekommen sei. Unter den Industrienationen stehe das Land damit für 2010 an 14. Stelle. Die Niederlande etwa mit einer deutlich geringeren Fläche und Bevölkerungszahl hätten in diesem Zeitraum doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen; auch in Frankreich seien mehr Migranten als angekommen als in Italien.
Die EU-Staaten forderte Veglio zu einer Überprüfung ihrer Flüchtlingspolitik auf. Die restriktiven Einwanderungsgesetze hätten zur Folge, dass die Migranten den Seeweg wählten und sich in die Hände von Schmugglern und "skrupellosen Menschenhändlern" begäben, kritisierte der Kurienerzbischof. Zudem hob Veglio hervor, dass die Migranten aus Libyen als Kriegsflüchtlinge nicht abgewiesen werden dürften. Anders stelle sich die Lage der Migranten aus Tunesien dar. In diesem Fall müsse eine individuelle Überprüfung der Identität und des Fluchtgrundes erfolgen.
Schutz von Nordafrika-Flüchtlingen angemahnt
Unter den in Booten ankommenden Migranten befänden sich viele schutzbedürftige Menschen, heißt es in einem Appell, den acht Organisationen in Brüssel veröffentlichten. So gäben zwar die meisten aus Tunesien kommenden Menschen wirtschaftliche Gründe für ihren Aufbruch an. In den Gruppen seien aber auch Asylsuchende und Flüchtlinge im eigentlichen Sinn, etwa aus Somalia und Eritrea.
Unter den Migranten aus Libyen sei der Anteil schutzbedürftiger Menschen noch höher, hieß es. Die EU und die Mitgliedsländer müssten sicherstellen, dass alle an den Grenzen aufgegriffenen Personen schnell identifiziert würden und ein geeignetes Verfahren durchlaufen könnten.
Allein auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa waren seit Jahresbeginn über 20.000 Menschen in Booten gelandet. In der Nacht zum Mittwoch war vor der Küste ein völlig überladenes Boot gekentert. Bis zu 250 Menschen starben, unter ihnen zahlreiche Somalier und Eritreer.
Die Organisationen ermahnten die EU außerdem, einem Aufruf der Vereinten Nationen nachzukommen und Flüchtlingen über ein sogenanntes Neuansiedlungs-Programm dauerhaft Zuflucht zu gewähren. Der Appell wurde von der ökumenischen Migrantenkommission der Kirchen, dem italienischen Flüchtlingsrat, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Internationalen katholischen Migrantenkommission, dem Internationalen Rettungskomitee, der Organisation für Folteropfer IRCT, dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst und der Organisation Save the Children unterzeichnet.
Deutschland nimmt Flüchtlinge auf
Am Freitag kündigte die Bundesregierung an, 100 nordafrikanische Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, die sich derzeit auf der Mittelmeerinsel Malta aufhalten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe dazu Kontakt mit den Innenministern der Länder aufgenommen, wie das Ministerium in Berlin mitteilte. Details würden auch noch mit Malta abgestimmt.
Friedrich bezeichnete die Hilfe als Akt der Solidarität mit dem EU-Land Malta, das durch seine Lage besonders von den Flüchtlingsströmen aus Nordafrika über das Mittelmeer betroffen sei. Bereits im Oktober 2010 hatte Deutschland 100 afrikanische Flüchtlinge aus Malta aufgenommen.
Kirchen mahnen Schutz von Lampedusa-Flüchtlingen an
Die Verantwortung Europas
Nur wenige Tage nach dem Tod von bis zu 250 Flüchtlingen vor Lampedusa fordern Flüchtlingsorganisationen und Kirchen von den europäischen Mittelmeerstaaten einen verantwortungsvollen Umgang mit den Einwandererströmen aus Nordafrika. Der Vatikan spricht sich für eine großzügige Aufnahme auf.
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