General a.D. Schneiderhan über Lourdes

"Hier finden Menschen die Orientierung"

Noch bis Dienstag sind die deutschen Soldaten in Lourdes. Für den ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan ist die Wallfahrt essentiell, sie dürfe nicht gestrichen werden im Zuge der Heeresreform. Hier kritisiert der General a.D. im domradio.de-Interview mangelnde Kommunikation mit den Soldaten.

 (DR)

domradio.de: Wie haben Sie diese Soldatenwallfahrt erlebt?

Schneiderhan: Ich habe wieder mal Soldaten erlebt, wie ich sie mir eigentlich wünsche: Dass sie jung sind, dass sie fröhlich sind, aber im entscheidenden Moment auch besinnlich und ernsthaft sein können; und darüber nachdenken, was ihr Beruf bedeutet. Und diese Kombination hier ist etwas, was mich sehr bewegt. Das hat mich im aktiven Dienst bewegt, aber es bewegt mich auch jetzt als Pensionär: eine Bundeswehr, die es wirklich verdient hat, dass man sie achtet und ernst nimmt, junge Menschen, auf die wir stolz sein können in unserem Land. Auch, wenn man mit den Verwundeten hier konfrontiert wird und das viele Elend hier in Lourdes sieht, werden junge Menschen auch nachdenklich. Und es fällt ihnen ein zu sagen: Mein Gott, mit geht es eigentlich gut. Und dafür bin ich auch dankbar.



domradio.de: Die Reform der Bundeswehr bewegt die Soldaten sehr, das sagen auch die Militärseelsorger. Können Sie die Sorgen der Frauen und Männer verstehen?

Schneiderhan: Natürlich. Die Bundeswehr ist ein Großunternehmen, wo Informationen nicht unbedingt so durchlaufen, wie man es sich auf der unteren Ebene wünscht. Und die obere Ebene denkt, sie hat alles gut informiert. Wenn man Informationen auf den Intellekt beschränkt, tut man sich manchmal schwer in der Seele von Soldaten anzukommen. Und das ist so ein Sender/Empfänger-Problem gelegentlich. Und das höre ich hier auch oft, die Unsicherheit. Das ist wahrscheinlich in allen großen Unternehmen so. Und die Soldaten haben da vielleicht manchmal auch überzogene Ansprüche. Was mir während der zwei Tage klar geworden ist: Wenn man diese Reform zu einem Gelingen führen will, muss man mit den Soldaten sprechen und sie dort abholen, wo sie sind, im Kopf und im Herzen. Dann funktioniert es. Das ist die Aufgabe, die die Aktiven jetzt erfüllen müssen. Das ist auch meine große Hoffnung: Dass man die Soldaten dort abholt, wo sie sind; nicht wo die großen Oberen denken, sie seien.



domradio.de: Glaube spielt für Sie persönlich eine große Rolle - welche gerade in Krisensituationen?

Schneiderhan: Ich habe viele schwere Stunden hinter mir, als ich noch im aktiven Dienst war. Und ich hätte Vieles auch nicht bewältigt, wenn ich mir nicht so sicher in meinem persönlichen Fundament wäre. Und das ist jetzt die katholische Kirche für mich. Und ich weiß und wusste mich sicher in einem Land, wo Soldaten nicht mehr missbraucht werden. Bei allen Diskussionen über die Einsätze. Aber das ist für mich so ein Schlüssel, den der ehemalige Bundeskanzler Schmidt ja bei dem Gelöbnis vor einigen Jahren angesprochen hat: Seid sicher, dass Euch dieses Land nicht missbraucht: Das ist die politische Seite. Und für mich selber muss ich mit dem Thema umgehen: Christ, Töten, Töten lassen und getötet werden hinnehmen. Und da glaube ich, wenn es um die großen Themen geht, die auch der Militärbischof angesprochen hat, Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt, dann gibt es eben Situationen, wo militärische Gewalt notwendig ist, notwendig im Sinne von Not wenden, vor allem gegenüber jenen, die all unsere Werte verachten. Und mit Terror und Gewalt ihre Ideen an den Mann zu bringen. Die muss man eben auch mit Gewalt davon abhalten es zu tun.



domradio.de: Lourdes ist für viele Menschen eine spirituelle Herausforderung. Wie geht es Ihnen da?

Schneiderhan: Mit spirituellen Herausforderungen bin ich etwas zögerlich. Für mich ist wichtig, dass sich unter dem Gedanken Lourdes so Viele in einem gemeinsamen Verständnis treffen. Und es stimmt mich sehr nachdenklich, wenn ich Menschen im Rollstuhl sehe; Soldaten verschiedener Nationen, die glauben, dass ihnen geholfen wird. Ich will nicht sagen, dass ich da alles übernehmen kann. Aber entscheidend ist, dass es eine Stätte gibt, wo diese Hoffnung genährt wird. Das andere ist, dass Soldaten in diesem neuen soldatischen Selbstverständnis sich miteinander bekennen, Position beziehen in einer Welt, wo wir vielleicht manchmal trauen, Position zu beziehen. Andere tun es, wir müssen es auch.



domradio.de: Was denken Sie: Wie wird es nach der Bundeswehrreform mit der Soldatenwallfahrt nach Lourdes weitergehen?

Schneiderhan: Da habe ich nur eine Hoffnung: dass aufgrund der Veränderungen solche Dinge nicht gestrichen werden. Weil sie sind für die ethische Normierung und Grundausrichtung essentiell. Wir haben hier in Lourdes eine gemeinsame Idee im Glauben, im katholischen Glauben. Es wäre eine Katastrophe, wenn das dem Rechenstift zum Opfer fiele. Hier finden die Menschen eine Orientierung - und das ist das Entscheidende.



Das Gespräch führte Johannes Schröer.