Zollitsch am Grab des ermordeten Bruders

Aufruf zu Versöhnung

In Anwesenheit des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch ist am Freitag im serbischen Odzaci (Hodschag) ein Gedenkkreuz für 212 im Jahr 1944 von jugoslawischen Partisanen ermordete Deutsche eingeweiht worden. Zu den Toten zählt Zollitschs damals 16-jähriger Bruder Josef. Über Jahrzehnte lagen die drei Massengräber nicht erkennbar im freien Feld.

 (DR)

Mit allen überlebenden Angehörigen habe er "ein Menschenleben lang" auf diesen Tag gewartet, sagte der 72-jährige Freiburger Erzbischof. "In unseren Ohren hallen immer noch die Schüsse von jenem 25. November 1944." Auch nach über 66 Jahren seien die Wunden in den Herzen immer noch offen und nicht verheilt. Zugleich betonte er, das nun aufgerichtete Kreuz, Zeichen für Trauer und Erinnerung, stehe für Christen auch für die Überwindung des Todes und die Hoffnung auf Auferstehung.



Bei einer Messfeier mit mehreren hundert Donauschwaben in Odzaci rief Zollitsch am frühen Abend zu Engagement gegen Gewalt und Unrecht auf. Christen sollten nach dem Evangelium "Menschen aktiven Mitleidens" sein, sagte er. Sie sollten verhindern, "dass Menschen ihren Mitmenschen auch in Zukunft Leid zufügen". Zugleich erteilte er jedem Gedanken der Rache und Vergeltung im Zusammenhang mit Vertreibungen eine Absage.



Das Schicksal der Ermordeten bezeichnete Zollitsch als unsägliches Leid und nicht fassbare Qual. "Hier starben Liebe, Freundschaft, Hoffnung. Ungeheuer ist dieser Tod und grausam." Zuvor hatte Zollitsch im nahen Filipowa, dem heutigen Backi Gracac, sein Elternhaus besucht und mit den heutigen serbischen Bewohnern im Zimmer seiner Geburt verweilt.



An der Feier zur Einweihung des Kreuzes nahmen weit mehr als 500 Menschen teil, darunter neben mehreren katholischen Bischöfen des Landes und dem Apostolischen Nuntius in Belgrad, Erzbischof Orlando Antonini, auch serbisch-orthodoxe Geistliche, darunter Bischof Irinej von Novi Sad, sowie Zeitzeugen und Nachkommen der Ermordeten teil.



Die Opfer des Massakers, Männer zwischen 16 und 60 Jahren, stammten aus Filipowa. In der damals rein deutschen Gemeinde in der weiten Donauebene hatten seit dem 18. Jahrhundert in deutschen Siedlungen sogenannte Donauschwaben gelebt. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs kam es zu Massakern; die deutschen Bewohner der Region wurden in Lager interniert, zu Zwangsarbeit verpflichtet oder gelangten nach Deutschland. Auch Zollitsch lebte mit Angehörigen in einem sogenannten Todeslager, in dem Tausende Deutsche starben, bevor der Familie 1945 die Flucht gelang.



Zollitsch hält sich seit Dienstag zu einem fünftägigen Privatbesuch in Serbien auf. Am Mittwoch traf er in der Hauptstadt Belgrad den serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej I. zu einer 40-minütigen Unterredung. Mehrfach plädierte er in diesen Tagen für eine baldige Aufnahme Serbiens in die EU.