Deutsche UNESCO-Kommission feiert 60-jähriges Bestehen

"Welterbeprogramm ist ein erfolgreiches Projekt"

Deutschland ist ein Land mit einem großem kulturellen Erbe. Bei der Kulturerhaltung spielen vor allem die Kirchen eine wichtige Rolle, sagt der Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission Roland Bernecker anlässlich der 60-jährigen Mitgliedschaft Deutschlands in dem UN-Komitee im Interview.

 (DR)

KNA: Herr Bernecker, welche Bilanz zieht die Deutsche UNESCO-Kommission nach 60 Jahren Mitgliedschaft?

Bernecker: Der Beitritt in die UNESCO nach dem Zweiten Weltkrieg hat sicherlich die Internationalisierung und Weltoffenheit in Deutschland positiv beeinflusst. Für die junge Bundesrepublik war die Aufnahme in die UNESCO 1951 ein wichtiger Schritt zur Wiedereingliederung in die internationale Gemeinschaft. Seit 1972 gibt es die UNESCO-Welterbekonvention. Für den Erhalt herausragender Kultur- und Naturgüter hat diese sehr populäre Konvention Herausragendes geleistet. Außerdem ist es der UNESCO mit dem Welterbe gelungen, die Idee des universellen Menschheitserbes im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Neben dem Welterbe gibt es zahlreiche weitere Erfolgsgeschichten wie die Biosphärenreservate, die UNESCO-Projektschulen und das Programm Bildung für Alle, um nur drei herauszugreifen.



KNA: Welche Chancen hat Deutschland bei der erneuten Kandidatur für einen Sitz im Welterbekomitee?

Bernecker: Die Konkurrenz ist groß. Aber wir hoffen auf einen Sitz, um dadurch aktiv an der Weiterentwicklung der Welterbekonvention mitwirken zu können. Deutschland war zuletzt vor 14 Jahren vertreten. Jetzt wollen wir wieder unsere anerkannte Expertise in diesem wichtigen Gremium einbringen.



KNA: Wo liegen die Arbeitsschwerpunkte der deutschen Kommission?

Bernecker: Unsere Hauptaufgabe liegt in der Unterstützung und Beratung der politisch zuständigen Stellen, insbesondere der Bundesregierung. Hierzu sind wir in der Lage, in erheblichem Umfang zivilgesellschaftliche Expertise zu mobilisieren. Außerdem arbeiten wir intensiv daran, Ergebnisse der Modellprojekte der UNESCO auch nach Deutschland zu vermitteln. Im Bereich der Bildung setzen wir uns etwa für das Konzept der Inklusiven Bildung ein, in der Kultur für eine Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Kulturellen Vielfalt.



KNA: Das Welterbeprogramm stand in den vergangen Jahren in der Kritik. Das Dresdner Elbtal wurde wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke sogar von der Welterbeliste gestrichen. Sind die Standards der UNESCO zu hoch gegriffen?

Bernecker: Es ist festzuhalten, dass das Welterbeprogramm ein äußerst erfolgreiches Projekt ist. Wenn ein Kultur- oder Naturgut die Auszeichnung bekommt, wird damit sein universeller Wert für die gesamte Menschheit hervorgehoben, nicht nur für eine Region oder ein Land. Hinter der Auszeichnung stehen die über 180 Vertragsstaaten der Welterbekonvention. Hohe Standards sind deshalb unerlässlich.



Wir sind auf der Welterbeliste sehr gut vertreten, was auch daran liegt, dass wir in Deutschland über eine sehr reichhaltige Kulturlandschaft verfügen. Mit der Welterbekonvention ist es der UNESCO gelungen, Menschen noch stärker für die besonderen Werte von Kultur- und Naturstätten zu sensibilisieren. Bei der Nominierung einer Stätte wird übrigens vorausgesetzt, dass die Bürger vor Ort eingebunden sind und die Bewegung unterstützen. Eine Nominierung gegen den Willen der Bürger sollte es nicht geben.



KNA: Dennoch, welche Lehren ziehen Sie aus dem Streit um die Waldschlösschenbrücke?

Bernecker: Die Lehre ist, dass bei Welterbestätten größere Planungsvorhaben früh genug und umfassend mit dem Welterbekomitee abgestimmt werden sollten.



KNA: Was werden die weiteren Welterbestätten in Deutschland sein?

Bernecker: Das UNESCO-Komitee entscheidet vermutlich noch diese Woche in Paris über zwei aktuelle deutsche Anträge. Zum einen über die Deutschen Buchenwälder, die ergänzend zu den Wäldern in der Slowakei und der Ukraine zu einem seriellen Naturerbe ernannt werden sollen. Der zweite Antrag ist das von Walter Gropius entworfene Fagus-Werk im niedersächsischen Alfeld.



KNA: Auch das Wattenmeer ist Weltkulturerbe. Gleichzeitig werden in der Ost- und Nordsee Windparks gebaut, um Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Passt das zusammen?

Bernecker: Es kommt immer auf die Lösungen im Einzelfall an. Hier muss eine weitsichtige Güterabwägung vorgenommen werden. Das Wattenmeer ist ein Naturerbe von weltweit herausragender und anerkannter Bedeutung. Als UNESCO-Welterbestätte ist hier natürlich eine besondere Sensibilität bei solchen Entscheidungen notwendig.



KNA: Welche Aufgaben muss die Deutsche UNESCO-Kommission in Zukunft bewältigen?

Bernecker: Die Globalisierung mit all ihren Facetten stellt auch unser Land vor große Herausforderungen. Aus meiner Sicht kommt es im zwischenstaatlichen Forum der UNESCO darauf an, auch in Zukunft die Prinzipien der Freiheit, Würde, von Recht und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Dies sind die Werte, die in der Präambel der UNESCO-Verfassung verankert sind. Hierzu wollen wir durch die Arbeit in unseren Netzwerken einen Beitrag leisten. Die Deutsche Kommission setzt sich zudem dafür ein, die Entwicklung Deutschlands zu einer weltoffenen Wissensgesellschaft zu unterstützen. Hierzu bieten die im Forum der UNESCO erarbeiteten Programme und Konzepte vielfache Anknüpfungspunkte. Bildungsgerechtigkeit und kulturelle Vielfalt sind zum Beispiel Themen, die für eine pluralistische Gesellschaft wie Deutschland von großer Bedeutung sind.



KNA: Welches Thema ist dabei besonders dringlich?

Bernecker: Hier möchte ich gerne auf das Programm Mensch und Biosphäre verweisen, das in diesem Jahr 40 Jahre alt wird. Dieses weltweite Netzwerk von über 500 Modellregionen - in Deutschland haben wir 15 von ihnen - stellt die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung von Lebensräumen gleichberechtigt neben den Naturschutz. Hier sind sehr erfolgreiche Laboratorien für die beispielhafte Interaktion von Mensch und Umwelt entstanden, die in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden.



KNA: Welche Rolle spielen die Kirche und die Religionen bei der Erhaltung des Weltkulturerbes?

Bernecker: Die Kirchen haben hier eine herausgehobene Verantwortung, da sie in Deutschland natürlich in den Schutz der Welterbestätten, die unter ihrer Obhut stehen, eingebunden sind. Die Kirchen nehmen diese Aufgabe traditionell sehr ernst und haben ein besonderes Gespür für die Angelegenheiten des Kulturerhalts.



Interview: Kerstin Kotterba