Der Kampf ums Überleben im Senegal

Wenig Hoffnung im Einwanderungsland

Der Senegal steht im Mittelpunkt der diesjährigen Aktionen zum Monat der Weltmission von missio. Eine Delegation des katholischen Hilfswerks ist gerade in dem westafrikanischen Land – und trifft Menschen, die ums Überleben in und gegen die Flucht aus ihrer Heimat kämpfen.

Autor/in:
Harald Oppitz
 (DR)

Viele Mütter sind gekommen zum Treffen in einem staubigen Hinterhof in Dakar. Ihre jungen Kinder und Enkelkinder sitzen und spielen zu ihren Füßen, einige Großväter haben auf Plastikhockern unterm Wellblechdach Platz genommen. Die Frauen lachen miteinander, die Großväter stecken die Köpfe zusammen. Viele haben Sonntagskleidung angezogen - es geht bunt zu, und das Treiben der Kinder lässt die Versammlung fast wie ein kleines Stadtteilfest erscheinen. Doch etwas ist befremdlich: Es sind keine Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren dabei.



Das hat seinen Grund: Viele von ihnen haben versucht, den Senegal auf einem Boot zu verlassen, um eine neue Zukunft im vermeintlichen Paradies Europa zu finden. Und viele haben diesen Traum mit dem Leben bezahlt. Zur Versammlung geladen hat Yayi Bayam Diouf und ihre Organisation COFLEC, ein Zusammenschluss von Frauen gegen illegale Auswanderung aus dem Senegal.



Yayi Bayam Dioufs Sohn wollte 2006 als Kapitän mit 80 anderen Emigranten auf die Kanaren fliehen. Doch das Boot kenterte, die Männer ertranken. Nach der Trauerzeit begann die heute 52-jährige Mutter, gegen die waghalsige Suche nach einem besseren Leben in Europa aktiv zu werden - und sie fand schnell Gleichgesinnte.



Mit Gundula Gause unterwegs

Nachrichtenredakteurin Gundula Gause ist derzeit gemeinsam mit Vertretern des kirchlichen Hilfswerks missio zu Besuch, um sich über die Arbeit der Frauen zu informieren. COFLEC versucht, den Witwen mit Kleinkrediten den Aufbau einer neuen Existenz zu ermöglichen. Daneben versuchen die rund 400 im Verein organisierten Frauen, durch Aufklärung anderen Familien das Schicksal zu ersparen, dass jemand im Glauben an eine bessere Zukunft sein Leben riskiert und nie zurückkehrt.



"Bildung ist das Entscheidende", betont Yayi Bayam Diouf. "Die Jugendlichen müssen eine Chance hier im Senegal bekommen. Und sie müssen verstehen lernen, dass Europa nicht mit offenen Armen auf sie wartet." Sie und ihre Mitstreiterinnen versuchen, so viele Kinder wie möglich in Schulen zu bringen. Zwei von drei Senegalesen sind Analphabeten. Zwar gibt es eine staatliche Schulpflicht; aber viele Familien können sich Schulbücher oder -kleidung nicht leisten.



Mitglieder von COFLEC vermitteln Kinder zurückgelassener Familien an Privatschulen, meist in kirchlicher Trägerschaft. Diese nehmen eine gewisse Quote von ihnen auf und sorgen durch Hol- und Bringdienste dafür, dass sie auch tatsächlich die Schulbank drücken. 20 Schüler haben allein im vergangenen Jahr die Grundschule so gut gemeistert, dass sie an einem Gymnasium angenommen wurden. Mit Kleinkrediten zum Aufbau kleiner Firmen, etwa im Obsthandel, versucht der Verein zudem, aktiv ein Zeichen zu setzen, damit vom Schicksal gebeutelte Menschen auch im Senegal eine Zukunft haben.



Warten auf den nächsten Tagesjob

So wie Sophie: Am Stadtrand der Zwölf-Millionen-Metropole Dakar wohnt sie mit acht Familienmitgliedern in einem winzigen Zimmer im Wohnblock. Küche und Toiletten sind auf dem Gang und werden mit zehn weiteren Familien geteilt. Jeden Morgen bereitet die 47-jährige Großmutter vor der Zimmertür auf einem Holzkohlegrill kleine Bonbons aus Dosenmilch zu, die sie an einer belebten Straßenecke verkauft. Gemeinsam mit ihrem Mann und den fünf Kindern war sie aus politischen Gründen aus dem Togo geflohen. Erst strandete sie in der Elfenbeinküste, wurde dort aber nicht als Flüchtling anerkannt.



Hier im Senegal ist ihr Mann irgendwann einfach verschwunden - und die Söhne finden außer gelegentlichen Maurerarbeiten keinen Job. "Das einzige, was ich will, ist, dass meine Kinder und Enkelkinder irgendwann hier rauskommen", wünscht sich die müde Frau: "Mit den paar Francs aus dem Bonbonverkauf kommen wir nicht aus - aber ohne das Geld säßen wir alle auf der Straße."



Ihr Sohn Felix war mit seiner Frau und zwei Kindern schon einmal ausgezogen - und musste das eigene Zuhause doch wieder aufgeben. Er würde gerne als T-Shirt-Maler seinen Unterhalt verdienen. Aber für seine kunstvollen Unikate fehlt den Menschen seiner Umgebung das Geld. Und so wartet er auf den nächsten Tagesjob auf einer Baustelle. Es scheint, als habe er die Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit 30 Jahren bereits aufgegeben.