Im Bistum Freiburg beraten Katholiken über Zukunft der Kirche

Zauberwort Dialog

Neun Monate ist es her, dass Erzbischof Zollitsch der Kirche in Deutschland einen "Dialogprozess" empfahl. Die Kirche solle wieder stärker auf die Menschen zugehen. Auf Bundesebene steht nun das erste große Treffen in Mannheim an. In Zollitschs Heimatbistum ist der diözesane Dialogprozess bereits im vollen Gange.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Im September überraschte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch seine Bischofskollegen und viele Katholiken mit einem flammenden Appell: In einer immer säkulareren Welt und nach dem Vertrauensverlust durch die Missbrauchskrise müsse sich die Kirche den Chancen und Herausforderungen des Glaubens neu stellen.



Hin zu einer "pilgernden, hörenden und dienenden Kirche"

Zollitsch sprach sich für einen "Dialogprozess" aus, damit die Kirche wieder stärker auf die Menschen zugehe und zu einer "pilgernden, hörenden und dienenden Kirche" werde. "Es gibt für uns keinen anderen Weg als den der Offenheit, der Ehrlichkeit und den des Zuhörens", sagte Zollitsch damals.



Neun Monate danach nimmt der Dialogprozess erste Formen an. So auf Bundesebene, wo die katholischen Bischöfe für das Wochenende Vertreter der Kirchenbasis, der Verbände und der Bistümer zu einem Kongress nach Mannheim eingeladen haben. Aber auch in mehreren Bistümern, wo von den Kirchengemeinden ausgehend die Basis für eine neue katholische Gesprächs- und Dialogkultur entstehen soll. Bundesweit am weitesten ist der diözesane Dialogprozess bislang in Zollitschs Heimatbistum gekommen.



"Es gibt keine Tabus, es können alle Themen auf den Tisch kommen"

Hier wurden nach intensiven Planungen und Beratungen der Bistumsleitung grafisch aufwendig gestaltete "Dialogboxen" an alle Pfarrgemeinden des rund zwei Millionen Katholiken zählenden Bistums im Südwesten verschickt. Darin finden sich der geplante Fahrplan des Dialogs, Themenanregungen und konkrete Tipps und Materialien für Gesprächsgestaltungen.



Domkapitular Andreas Möhrle, einer der Verantwortlichen, verspricht. "Es gibt keine Tabus, es können alle Themen auf den Tisch kommen. Aber wichtig ist, dass wir den Dialog vor allem als geistlichen Prozess, als Hören auf die Stimme Gottes verstehen."



Die Vorsitzende des Diözesanrats, das höchste Vertretungsgremium der Kirchenbasis, Martina Kastner, registriert ein großes Interesse vieler Katholiken, die Gesprächschance anzunehmen. "Derzeit laufen in vielen Pfarrgemeinden erste Planungen." Sie hofft, dass der Dialogprozess möglichst viele erreicht. "Das gelingt aber nur, wenn alle Sorgen und Nöte auf den Tisch kommen und offen angesprochen werden können." Zudem müsse am Ende des Dialogs mehr stehen als ein Papier für die Schublade.



Auch Jugendverbände beteiligen sich

Entsprechend argumentieren auch Vertreter der katholischen Jugendverbände, die 32.000 Jungen und Mädchen repräsentieren. In Gruppenstunden und Veranstaltungen haben die Debatten über den Jugend-Beitrag zum Dialogprozess begonnen. Mit Projekt Samuel ist eine eigene Internetseite online.



Dass sich durch den Dialog Kirche verändern wird, davon sind die Planer in der Bistumsleitung überzeugt. "Wir arbeiten dafür, dass die Ergebnisse im Alltag spürbar werden", so Möhrle. Niederschlag sollen die Debatten etwa in einer überarbeiteten Fassung sogenannter "Pastoraler Leitlinien" finden.



Drei "Fragehorizonte" sollen bis Ende 2012 von Gemeinden, Verbänden, Professoren, Jugendlichen oder auch Glaubensfernen in den Blick genommen werden: Wie gehen Moderne und Glaube zusammen? Wie können junge Menschen glauben lernen? Wie sieht Kirche in Zukunft aus?



Mit "Erkundungsaufträgen", konkreten Fragen aus den drei Großbereichen, hat sich Zollitsch an katholische Schulen, die katholische Akademie, die Caritas und kirchliche Bildungshäuser gewandt. In "Fokusgruppen" sollen Spitzenvertreter der Wirtschaft, Theologen oder Journalisten über die Zukunft der Kirche debattieren. Und schließlich wird es ab Anfang 2012 bistumsweit "Zukunftskonferenzen" geben.



Ende 2012 sollen alle Ergebnisse zusammengetragen werden

Nach dem Katholikentag im Mai 2012 in Mannheim als Termin für eine erste Zwischenbilanz sollen bei einem großen "Forum der Räte" Ende 2012 alle Ergebnisse zusammengetragen werden.



"Wir wollen versuchen, die ungeheure Vielstimmigkeit innerhalb der katholischen Kirche miteinander in einen Austausch zu bringen. Und dabei einen von allen gemeinsam mitzutragenden Weg für die Zukunft der Kirche finden", sagt Stefan Bonath, der die Detailkonzeption des Dialogprozesses entwickelt hat. Er hofft, dass es nicht zu Fraktionierungen oder verhärteten Fronten kommen wird. Dass viele Katholiken vor dem Hintergrund von Priestermangel, Pfarrei-Zusammenlegungen und Distanz zu kirchlichen Positionen wie Sexualmoral oder der Rolle der Frau nach Zukunftswegen Ausschau halten, ist der Kirchenleitung bewusst.