OECD warnt vor Altersarmut in Deutschland

Reiches Schlusslicht

Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) hat vor wachsender Altersarmut in Deutschland gewarnt. Vor dem Start des "Rentendialogs", zu dem Bundearbeitsministerin von der Leyen für Mittwoch Gewerkschaften, Verbände und Experten empfängt, heißt es, Deutschland gehöre international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern. Katholische Verbände warnen, der Rentendialog dürfe keine Sackgasse werden.

 (DR)

Die Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der OECD, Monika Queisser, sagte der Tageszeitung "Die Welt", die strikte Beitrags-Leistungs-Bindung in Deutschland führe dazu, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet und nur ein geringes Einkommen bezogen hätten, "im Alter armutsgefährdet sind". Andere Länder wie Dänemark oder die Niederlande verteilten sehr viel stärker innerhalb ihrer Alterssicherungssysteme um.



Auch Menschen mit langen Erwerbsunterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit oder Familienzeiten hätten hierzulande ein hohes Risiko, im Alter nur eine kleine Rente zu beziehen, sagte die OECD-Expertin. Ein weiteres Problem sei der enge Versichertenkreis.

In Deutschland seien lediglich Arbeitnehmer ins Rentensystem einbezogen. Viele kleine Selbstständige sorgten dagegen nur unzureichend oder gar nicht für ihr Alter vor, kritisierte die Rentenexpertin.



Maßnahmen nötig

"Noch ist Altersarmut in Deutschland nicht weit verbreitet, doch wird sie deutlich zunehmen, wenn man nicht jetzt Maßnahmen ergreift", sagte Queisser. Sie begrüßte den geplanten "Rentendialog". In anderen Ländern gebe es ein breites Spektrum an Instrumenten zum Schutz vor Altersarmut. So leiste sich etwa Neuseeland eine steuerfinanzierte Garantierente in Höhe von 40 Prozent des Durchschnittseinkommens, die jeder Rentner unabhängig von seinen sonstigen Einkünften bekomme.



Queisser warnte aber auch davor, das Absinken des hiesigen Rentenniveaus zu dramatisieren. "Deutschland ist es gelungen, in kurzer Zeit die private Vorsorge deutlich auszubauen und auch für Geringverdiener attraktiv zu machen", lobte sie. Die staatliche Rente sei nur eine von mehreren Faktoren, die für die Beurteilung der Altersarmut entscheidend seien. Auch Immobilienbesitz, Vermögen, zusätzliche Altersvorsorge und Einkünfte des Partners spielten eine Rolle.



Katholische Verbände: Rentendialog darf keine Sackgasse werden

"Bundesministerin Ursula von der Leyen scheint das Sockelrenten-Model der katholischen Verbände nicht zu kennen", kritisiert der KAB-Bundesvorsitzende Georg Hupfauer. Anlass hierzu bieten Äußerungen aus dem Ministerium zum Rentendialog. Die Arbeitsministerin hatte im Vorfeld des Treffens Gespräche über die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung hin zu einer eine solidarischen Alterssicherung abgelehnt. Damit erteilte sie dem Sockelrentenmodell der katholischen Verbände KAB, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Familienbund der Katholiken (FDK), Kolping und Katholische Landvolkbewegung ebenso eine Absage wie der Forderung nach einer Rente nach Mindesteinkommen.--
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"Mit den Einschränkungen vor dem Treffen im September disqualifiziert sich das Ministerium, die Altersarmut nachhaltig und solidarisch bekämpfen zu wollen. Altersarmut lässt sich nur bekämpfen, wenn die soziale Sicherung im Alter nicht mehr ausschließlich über die Erwerbsarbeit geleistet werden muss", sagt der KAB-Rentenexperte. Hupfauer verweist auf die zunehmenden Unterbrechungen bei den Erwerbsbiografien, der Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, der anhaltend hohen Erwerbsarbeitslosigkeit sowie den Folgen von Mini-Jobs, niedrigen Löhnen und der demografischen Entwicklung. "Wer weiterhin glaubt, mit einer ideenloser Stellschraubenpolitik die drohende Altersarmut begegnen zu können, verschließt die Augen vor den sozialen Herausforderungen."--
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Die katholischen Sozialverbände wollen mit der Einführung der Sockelrente eine weitere Säule in der gesetzlichen Alterssicherung einführen, um einerseits den Faktor Arbeit zu entlasten und andererseits jedem Einwohner und jeder Einwohnerin in Deutschland eine eigenständige Alterssicherung zu ermöglichen. Basis ihrer Sockelrente ist die Einbeziehung aller Einkünfte und aller Einwohner/innen in das System der solidarischen Alterssicherung durch Beitragszahlungen. Die Sockelrente soll zusätzlich zur Arbeitnehmerpflichtversicherung und der betrieblichen sowie der privaten Altersvorsorge aufgebaut werden. "Wer Altersarmut nachhaltig bekämpfen will, kommt am Sockelrenten-Modell mit einer breiteren Finanzierung der Alterssicherung nicht herum", erklärt KAB-Bundesvorsitzender Georg Hupfauer, der die Ministerin aufforderte, die kirchlichen Sozialverbände am Rentendialog zu beteiligen.