Staatsschuldenkrise dominiert Jahrestagung von IWF und Weltbank

Angst vor weltweiter Rezession

Ein großes Thema hat die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bis zum Abschluss am Sonntag bestimmt: Die Sorge, dass die Staatsschuldenkrise in der Eurozone und den USA auf die Entwicklungs- und Schwellenländer übergreifen könnte.

Autor/in:
Rolf Obertreis
 (DR)

Weltbank-Präsident Robert Zoellick und die neue IWF-Direktorin Christine Lagarde forderten die Industriestaaten daher zu entschiedenem Handeln auf. "Die Krise kann auch zu einer Krise der Entwicklungsländer werden", warnte Zoellick.



Die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) sprach sich zwar für mehr Unterstützung der armen Länder aus, vor allem im Blick auf Infrastruktur und Landwirtschaft, machte aber keine konkreten Zusagen. Erstmals diskutierten in Washington bei einer Jahrestagung die Finanz- und Entwicklungsminister der G-20 in gemeinsamer Runde die aktuelle Lage.



Die Weltbank dagegen traf eine wichtige Entscheidung: Die Hilfe für die 13 Millionen Hungernden in Ostafrika wird für die nächsten fünf Jahre auf insgesamt 1,9 Milliarden Dollar (rund 1,4 Milliarden Euro) erhöht und damit fast vervierfacht. Wegen der dramatischen Lage im Bürgerkriegsland Somalia schlugen am Wochenende auch die Hilfsorganisationen Oxfam, ADRA und World Vision Alarm. Die nächsten drei Monate seien besonders kritisch, heißt es in einem gemeinsamen Appell.



Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) äußerte sich unterdessen zurückhaltend in Bezug auf eine Aufstockung des deutschen Beitrags von derzeit 151 Millionen Euro für die Hungernden. Große Summen seien nicht entscheidend. Es müssten in der Region auch die Strukturen vorhanden sein, um die Hilfe umsetzen zu können, sagte er in Washington.



Millenniumsziele in weiter Ferne

Die Staatsschuldenkrise in Europa und den USA macht es nach Einschätzung von Zoellick auch schwerer, die Millenniumsziele zur Halbierung von Armut und Hunger bis 2015 zu erreichen. Länder wie Liberia oder Haiti, die mit den Folgen von Krieg und Naturkatastrophen ringen, hätten noch kein einziges der Ziele erreicht.



Ausdrücklich warnte er vor einem neu aufkeimenden Protektionismus und neuen Handelsschranken als Folge der Krise: "Das wäre das Dümmste, was die Länder tun könnten und es würde allen schaden." IWF-Chefin Lagarde attestierten den Schwellenländern, aber auch den ärmsten Staaten, dass sie die Krise von 2008 besser bewältigt hätten als andere Volkswirtschaften.



Mittlerweile aber seien die Puffer der Entwicklungsländer für eine neuerliche - von den Industrieländern ausgelöste - Talfahrt aber nahezu aufgebraucht. Industrieländer und internationale Organisation wie IWF und Weltbank müssten helfen, dass die Länder wieder entsprechende Sicherheitspolster aufbauen könnten.



Große Aufmerksamkeit für BRICS-Staaten

Weltbank-Chef Zoellick forderte auch dazu auf, Frauen in den Entwicklungsländern stärker zu fördern und die Gleichberechtigung voranzutreiben. Frauen stellten die Hälfte der Weltbevölkerung und 40 Prozent der Arbeitskräfte, verfügten aber nur über ein Prozent der Einkommen, sagte er. In Ländern mit mehr Gleichberechtigung sei die Armut geringer und die Produktivität in der Landwirtschaft deutlich höher.



Große Aufmerksamkeit erfuhren auf der Jahrestagung die Schwellenländer, vor allem die sogenannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die wirtschaftlich deutlich aufgeholt haben und über stabile Staatsfinanzen verfügen. Sie sitzen mittlerweile auf Devisenreserven in Billionenhöhe. Deshalb könnten sie den gebeutelten Euro-Schuldenstaaten zur Seite stehen, möglicherweise indirekt, indem sie mehr Kapital für den IWF bereitstellen. Es ist Aufgabe des Währungsfonds, seinen 187 Mitgliedsländern bei Zahlungsbilanzproblemen und Überschuldung beizustehen.



Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega hatte kürzlich zehn Milliarden Dollar für den IWF allein aus seinem Land ins Gespräch gebracht. Allerdings war davon in Washington keine Rede mehr. Finanzminister und Notenbankchefs der Schwellenländer boten den Industriestaaten aber eine verstärkte Kooperation zur Bewältigung der Krise an. Der südafrikanische Finanzminister Pravon Gordhan stellte aber auch klar, dass die angehäuften Reserven vor allem zur Überwindung der großen Armut gebraucht würden.