Präsidenten des jüdischen Weltverbands Fuchs zieht Bilanz

Antrittsbesuch in Deutschland

Seine erste Auslandsreise führte den neuen Präsidenten des liberalen jüdischen Weltverbands, Rabbiner Stephen Lewis Fuchs, nach Deutschland. Während seiner zweiwöchigen Rundreise traf er auch mit mehreren Bundesministern zusammen. Ein Bilanz-Interview.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Am Samstag feierte der Amerikaner zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs in der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover einen Gottesdienst anlässlich des Versöhnungstags Jom Kippur, des höchsten Feiertags der Juden.



KNA: Herr Rabbiner Fuchs, Ihr Antrittsbesuch nähert sich dem Ende.

Warum haben Sie gerade Deutschland ausgewählt für Ihre erste Auslandsreise?

Fuchs: Deutschland ist das Land, von dem aus das liberale Judentum seinen Anfang nahm: Namen wie Moses Mendelssohn, Israel Jacobson, Abraham Geiger und Leo Baeck stehen dafür. Heute ist das liberale Judentum die größte jüdische Gruppe weltweit. Ich vertrete zwei Millionen Juden in 44 Ländern. Und wir wachsen - genauso wie das Judentum in Deutschland seit 1989 gewachsen ist. Aber nicht nur deshalb bin ich zuerst hierher gekommen. Meine Familie stammt aus Leipzig, nach den Novemberpogromen von 1938 ist mein Vater in die USA geflohen und hat dort geheiratet. Nun habe ich mit meiner Frau der Stadt einen privaten Besuch abgestattet. Ihre Eltern kommen beide ebenfalls aus Deutschland.



KNA: Davor haben Sie politische Gespräche auf höchster Ebene geführt. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse?

Fuchs: Besonders berührt hat mich der Besuch der Nationalen Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Berliner Bendlerblock. Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt hat mir nahegebracht, dass es auch Deutsche gegeben hat, die Hitler bekämpft haben. Leider zu wenige und zu spät. Diese Menschen wollte ich durch meinen Besuch würdigen.



KNA: Sie haben auch aktuelle Themen erörtert. Was war da besonders wichtig?

Fuchs: Zwei Themen möchte ich herausgreifen. Mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) habe ich über die Förderung der akademischen Rabbinerausbildung in Deutschland gesprochen. Seit zwölf Jahren zeigt die Arbeit des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam einzigartige Ergebnisse. Die Absolventen aus Brandenburg übernehmen Funktionen in Deutschland und der ganzen Welt. Nicht zuletzt fördert das Auswärtige Amt Studierende aus Nicht-EU-Ländern, die in Deutschland ein Hochschulstudium auf dem Weg zum Rabbiner oder Kantor machen wollen. Die jüdische Weltgemeinschaft ist erfreut und begeistert über diese Erfolge aus Deutschland, die noch vor Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Umso wichtiger ist, dass es zu einer Gleichbehandlung mit der Imamausbildung und den christlichen Theologien kommt.



KNA: Sehen Sie da Fortschritte?

Fuchs: Das Bundesbildungsministerium hat eine Anschubfinanzierung für zwei zusätzliche Professuren veranlasst, um die Entwicklung zu mehr Parität einzuleiten. Mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) konnte ich darüber sprechen, dass dies auf Landesebene dazu führt, das Abraham Geiger Kolleg inhaltlich, rechtlich und finanziell aufzuwerten und in die Universität wirksam zu integrieren. Er hat Wissenschaftsministerin Sabine Kunst gebeten, in Richtung jüdisch-theologischer Fakultät auf Kurs zu bleiben, und hat seine Hilfe zugesagt. Da wird es auch Gesetzesänderungen geben müssen. Deshalb bin ich über die Unterstützung auf parlamentarischer Ebene froh, die Haushaltssprecherin Klara Geywitz (Linke) signalisiert hat. Hier sind wir auf einem guten Weg.



KNA: Was war das zweite Thema Ihrer politischen Gespräche?

Fuchs: Bei Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wollte ich mich bedanken, wie viel gerade sein Ministerium für die jüdische Gemeinschaft leistet. Ohne diese wesentliche Unterstützung wäre eine Renaissance jüdischen Lebens gar nicht denkbar. Mir war wichtig, ihn in seiner Wächterrolle zu bestärken, damit alle Strömungen des Judentums an den staatlichen Leistungen partizipieren, auch das liberale Judentum. Gemeinsam mit der neuen Vorsitzenden der Union progressiver Juden in Deutschland, Sonja Güntner, haben wir das zentrale Anliegen formuliert: Bei künftigen Anpassungen des Vertrages mit dem Zentralrat der Juden ist darauf zu achten, dass liberale Institutionen genügend beachtet werden. Hier ist der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts von 2009 hilfreich, dass es staatliche Aufgabe bleiben muss, wie die Gelder für die verschiedenen jüdischen Strömungen aufgeteilt werden. Und das ist gut so.



KNA: Hat Sie etwas besonders beeindruckt auf Ihrer Reise?

Fuchs: In allen politischen Gesprächen kamen wir auf die aktuelle Lage Israels zu sprechen und den besten Weg nach vorne. Ich war beeindruckt, wie viel aufrichtige Freunde der jüdische Staat in allen Parteien hat. Das war gut zu spüren. - Auf religiöser Ebene war es mir ein Anliegen, die Gottesdienste zu den Hohen Feiertagen hier in Deutschland mitzugestalten. Ich nehme viele gute Eindrücke mit und habe viele Freunde des Judentums kennenlernen dürfen.