Der kubanische Kardinal Ortega wird 75

Hoffnungsträger und Vertrauensperson

Kardinal Jaime Lucas Ortega y Alamino, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist eine der wichtigsten Figuren im kubanischen Reformprozess und gleichermaßen Ansprechpartner für die Regierung als auch für oppositionelle Kreise. Ein Porträt.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Die harte Hand des kommunistischen Regimes in Havanna bekam Kardinal Jaime Ortega y Alamino bereits in seinen frühen Priesterjahren selbst zu spüren. In den Wirren der ersten Jahrzehnte nach der kubanischen Revolution landete der aufmüpfige Vikar 1966 für ein paar Monate im Arbeitslager. Schweigen wollte Ortega trotzdem nicht. Immer wieder erhob der Arbeitersohn seine Stimme, um auf die Missstände in seinem Heimatland hinzuweisen. Rund 40 Jahre später ist



In Jagüey Grande in der Provinz Matanzas auf Kuba geboren, absolvierte Ortega zunächst ein Studium mit künstlerischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten. Später studierte er in Matanzas und im kanadischen Quebec Katholische Theologie, Philosophie und Ethik, ehe er in seiner Heimatkathedrale von Matanzas zum Priester geweiht wurde. In seinen jungen Jahren als Priester begründete Ortega eine kirchliche Jugendbewegung.



1978 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Pinar del Rio ernannt; schon drei Jahre später wurde er Erzbischof von Havanna. Auch in dieser Funktion setzte er den Wachstumskurs der Kirche fort, gründete zahlreiche neue Pfarreien, baute zerstörte Kirchen wieder auf. Im November 1994 nahm Papst Johannes Paul II. Ortega ins Kardinalskollegium auf.



Die zentrale Führungsfigur der Kirche auf Kuba

Gleich drei Mal leitete Ortega bislang die Kubanischen Bischofskonferenz. Wohl auch deshalb wird er im Ausland als die zentrale Führungsfigur der Kirche auf der Karibikinsel wahrgenommen.

Sein Ansehen sowohl bei Oppositionsgruppen als auch bei der kommunistischen Führung speist sich aus seiner unbeugsamen Haltung. Berühmt sind seine kritischen Beiträge im monatlichen Kirchenmagazin.



Am 8. September 1993 veröffentlichte er im Namen der Kirche eine Botschaft an die Katholiken in Kuba. Adressat war aber eigentlich ein ganz anderer: Die Botschaft enthielt harte Kritik an Fidel Castro und seinem Regierungsapparat. Es seien tiefgreifende Veränderungen notwendig, auch an der Spitze des Staates. Regierung und staatliche Medien antworteten mit bitterböser Kritik. Es war eine der vielen Phasen, in denen die Kirche auf Kuba für ihren unbeugsamen Freiheitskampf leiden musste.



Im Vorfeld seines 75. Geburtstags hat Kardinal Jaime Ortega offenbar den Zenit seiner Schaffenskraft erreicht. Die ebenso überraschenden wie geglückten direkten Vermittlungsgespräche mit Staatspräsident Raul Castro haben ihn zu einem der gefragtesten Kirchenführer in Lateinamerika gemacht. Die Freilassung einer Vielzahl politischer Häftlinge ist vor allem Ortegas Verdienst.



Mittler zwischen den Welten

Ob "New York Times", CNN oder Clarin in Argentinien: Wenn Ortega zur aktuellen Situation auf Kuba Stellung nimmt, zitieren ihn die wichtigsten Medien Nord- und Südamerikas. Kaum ein anderer Kirchenführer des Kontinents hat eine derartige Medienpräsenz. Ortega ist Mittler zwischen den Welten: Als die "Damas de blanco" (Damen in Weiß), eine Menschenrechtsorganisation von Frauen und Müttern inhaftierter politischer Häftlinge, von den Sicherheitskräften verprügelt wurden, leitete Ortega die Beschwerde die höchste Stellen weiter. "Es gibt keinen besseren Vermittler als die katholische Kirche", lobte Laura Pollan Ortega, Sprecherin der "Damas".



Auch die greisen Revolutionsführer Raul und Fidel Castro haben spät die Kirche wiederentdeckt. Sie gestatten wieder jahrzehntelang verbotene Prozessionen und den Bau neuer kirchlicher Einrichtungen. Und sie akzeptieren öffentliche Kritik der Kirche an ihrem Kurs. "Wir erleben ein Klima des Wandels", sagte Ortega zuletzt bei öffentlichen Auftritten. "Und beten wir zur heiligen Jungfrau, dass das auch so bleibt." Niemand anders darf in Kuba öffentlich geduldet die Stimme erheben, um auf Missstände hinzuweisen. Das ist wohl der größte Erfolg im Lebenswerk Ortegas.