Sportpfarrer Schütt über den Druck auf Schiedsrichter

Wo bleibt die Fairness?

Der Fall erschüttert Fußball-Deutschland: Kurz vor dem Bundesligaspiel Köln-Mainz unternahm der Schiedsrichter Babak Rafati einen Suizidversuch. Sport- und Olympiapfarrer Hans-Gerd Schütt im domradio.de-Interview zum steigenden Druck auf die Schiedsrichter und Möglichkeiten des DFB diesem entgegenzuwirken.

 (DR)

domradio.de: Pfarrer Schütt, wie haben Sie auf die Nachricht reagiert, dass ein Schiedsrichter versucht hat sich das Leben zu nehmen?

Pfarrer Schütt: Zunächst wie es in der Seelsorge üblich ist: Mit Bestürzung. Ein Suizidversuch ist ja ein Hilferuf, der aus der Tiefe der Seele eines Menschen kommt und der sich natürlich von außen nicht so einfach erschließt. Man steht zunächst mit Schrecken und Bestürzung davor. Und man macht sich dann Gedanken, wie es dazu kommen konnte.



domradio.de: Jetzt wird natürlich heftig spekuliert über seine Motive, aber klar ist noch gar nichts. Der DFB-Präsident Theo Zwanziger hält aber den enormen Druck für ausschlaggebend. Ist der Druck unter den Schiedsrichtern wirklich so groß?

Pfarrer Schütt: Zunächst tue ich mich schwer mit Spekulationen, auch in diesem Fall. Meistens ist es ja nicht eine einzige Ursache, sondern ein Zusammenspiel mehrerer Ursachen. Der Druck auf die Schiedsrichter aus unterschiedlichen Gründen aber hat ganz klar zugenommen in den letzten Jahren, ein Grund ist die moderne Technik, die dem Betrachter hilft, alles bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen. Es ist sicherlich auch eine zunehmende "Rabiatisierung" und Härte der Auseinandersetzung und Beurteilung der Schiedsrichter festzustellen, und das nicht nur in der Bundesliga, sondern auch runter bis in die unteren Spielklassen hinein. Damit erhöht sich natürlich der Druck auf Schiedsrichter.



domradio.de: Es ist nicht auszuschließen, dass Rafati auch sehr unter der heftigen Kritik gelitten hat. Denn er landete dreimal in Folge bei der Wahl des DFB zum schlechtesten Schiedsrichter auf dem ersten Platz. Ist so eine Liste Ihrer Meinung nach überhaupt fair?

Pfarrer Schütt: Fairness bedeutet ja, dass so eine Liste nach fairen Kriterien entsteht. Und dass Beurteilungen auch mit Wohlwollen abgegeben werden und nicht mit Häme und Hinterlist. Der Verband muss ja für verschiedene Klassen die Schiedsrichter nominieren und dazu werden diese Bewertungskriterien benötigt.



domradio.de: Wie kann oder sollte man den Druck auf die Schiedsrichter reduzieren?

Pfarrer Schütt: Als Verband muss der DFB die Schiedsrichter von Anfang an schulen, wie sie mit Druck und Kritik umgehen können. Und auch mit unfairer Kritik und Beschimpfungen. Und er kann an die Zuschauer und Kommentatoren appellieren, Schiedsrichterleistungen möglichst fair beurteilen und auch Verständnis zu haben für die Situation der Schiedsrichter, die natürlich nicht spontan zu fällende Entscheidungen bis ins kleinste Teil analysieren können wie ein Fernsehzuschauer, der sich das ganz noch mehrfach anschauen kann. Und der DFB sollte die Leistungen der Schiedsrichter entsprechend würdigen und honorieren, er ist ja auch angewiesen auf die Schiedsrichter. Es ist eine wichtige und unverzichtbare Leistung und dies könnte auch eine faire Beurteilung ermöglichen und unfaire Äußerungen verhindern. Man fragt sich doch oft: Wo bleibt die Fairness?