In der Elfenbeinküste misstrauen viele dem Frieden

Angst vor der Wahl in Abidjan

Am Sonntag wird in der Elfenbeinküste ein neues Parlament gewählt. Es ist die erste Abstimmung seit jenen schicksalsträchtigen Präsidentschaftswahlen im November 2010, die das Land an den Abgrund brachten. Der damalige Verlierer Laurent Gbagbo ist nun der erste Ex-Staatschef, der sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten muss.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Noch immer trauen viele Ivorer der Situation im Land nicht. Sie bleiben lieber in den Flüchtlingscamps im Nachbarland Liberia, als für den Urnengang in ihre Heimat zurückzukehren.



Elise Masunka hat schon am frühen Morgen vor ihrem kleinen Gasofen gesessen, Reis gekocht und Bananen frittiert. Nicht für sich und ihre Familie - sondern um das Gekochte auf dem Markt im Flüchtlingscamp von Bahn zu verkaufen. "Das bringt ein bisschen Geld", sagt die 40-Jährige, die hinter ihren Töpfen auf Kundschaft wartet. Seit Anfang des Jahres lebt sie mit ihrer Familie hier. Die Elfenbeinküste wurde ihr zu gefährlich. Denn neben der Wirtschaftsmetropole Abidjan tobten die Ausschreitungen vor allem im Westen des Landes, wo der ehemalige Präsident Gbagbo besonders viele Unterstützer hatte und noch immer hat. Bei den Kämpfen zwischen seinen Anhängern und der Armee des neuen Präsidenten Alassane Ouattara sollen zwischen Dezember 2010 und April 2011 mehr als 3.000 Menschen ums Leben gekommen sein.



Elise Masunka sah die Welle der Gewalt früh kommen und gehörte zu jenen, die sich Anfang Januar über die Grenze retteten. Es waren - so schätzen Menschenrechtsorganisationen - Hunderttausende. "Uns geht es hier doch besser als in der Heimat", sagt sie. Außerdem sei gerade jetzt überhaupt kein guter Zeitpunkt für die Rückkehr, denn die Überstellung von Laurent Gbagbo nach Den Haag stoße längst nicht überall auf Zustimmung. Dazu kommen mögliche Unruhen im Zuge der anstehenden Parlamentswahlen.



Dass die Elfenbeinküste derzeit in höchster Alarmbereitschaft ist, bestätigen auch die Vereinten Nationen. Es habe einige besorgniserregende Vorfälle im Land gegeben, heißt es. Verantwortlich dafür seien bewaffnete Anhänger verschiedener Kandidaten gewesen. Das Sicherheitsaufgebot sei deshalb hoch. Insgesamt sollen 32.000 ivorische und UN-Soldaten zum Einsatz kommen. Beobachter gehen davon aus, dass Alassane Ouattaras Partei "Rassemblement des Republicains" (RDR) sowie die "Parti Democratique de Cote d"Ivoire" (PDCI) die Wahlen um die 255 Parlamentssitze haushoch gewinnen werden.



Boykott-Aufruf

Grund dafür ist auch der Boykott-Aufruf der Gbagbo-Anhänger. In den vergangenen Wochen hatten sie regelmäßig mit einem Wahlboykott gedroht, wohl wissend, dass das mögliche Ergebnis ohne ihre Teilnahme weit weniger glaubwürdig wirken würde. Die Überstellung Gbagbos nach Den Haag vor einer Woche hat ihnen nun neue Gründe geliefert: Mit ihrem Boykott wollen sie nun ein Zeichen gegen diese Vorgehensweise setzen.



Sie stehen mit ihrem Protest nicht alleine. Medienberichten zufolge erhielten sie Mitte der Woche Unterstützung von in Ghana lebenden Exil-Ivorern. Die Elfenbeinküste könne sehr wohl selbst mit der Situation fertig werden, etwa durch die Gründung einer nationalen Kommission, die Gerechtigkeit schaffen könnte, heißt es. Dass die Unterstützung für Gbagbo auch im eigenen Land weiterhin vorhanden ist, wird auf dessen Homepage deutlich. Im Sekundentakt wird gezählt, wie lange der frühere Präsident schon unter Arrest steht. Unterstützer schreiben: "Gbagbo bleibt mein Präsident."



Für Elise Masunka ist all das weit weg. Sie möchte überleben und hofft auf eine Zukunft ohne Angst und Schrecken. Deshalb will sie vorerst in Liberia bleiben. Precious Barlea nickt ihr zu, als sie ihre große Kühlbox öffnet und dort nach einem Fisch sucht. Die junge Frau stammt aus Bahn. "Es ist gar nicht so schlecht, dass die Flüchtlinge hier sind", sagt sie pragmatisch. "Durch sie habe ich neue Kunden." Dann deutet sie auf zwei Frauen, die ihr einen Fisch abkaufen wollen. "Wenn sie wieder weg sind, werde ich arbeitslos."