Expertentreffen zur Geschichte der Kreuzzüge

Eine tausend Jahre alte Idee

"Deus vult - Gott will es!" Dieser Schrei ertönte an jenem Novembertag 1095 im französischen Clermont aus Hunderten Kehlen. Und bildete den Auftakt zu einer langen und blutigen Geschichte: der Zeit der Kreuzzüge. Die Erinnerung an diese Epoche ist weiterhin lebendig.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Dass sein Appell zur Befreiung des Heiligen Landes von der Herrschaft der Muslime einen derartigen Widerhall finden würde, hätte sich der damalige Papst Urban II. wohl nicht träumen lassen. Die Konfrontation zwischen arabischer und westlicher Welt nach dem 11. September 2001 har der Debatte eine weitere Dimension hinzugefügt, wie eine bis Samstag laufende internationale Expertentagung des Instituts für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim zeigt.



Von Anfang an bündelten sich in der Kreuzzugsidee eine Vielzahl von Interessen, erläutert der britische Historiker Jonathan Philipps. In seinem jüngsten Buch "Heiliger Krieg" legt er dar, dass Urban II. seinen Auftritt wohl kalkulierte. Einerseits ging es dem Papst um eine Art religiös-spiritueller Erneuerung. Dafür spricht der Charakter eines Pilgerzugs und der in Aussicht gestellte Sündenerlass. Gleichzeitig jedoch standen knallharte Machtfragen im Raum. Ein Gegenpapst machte Urban seinen kirchlichen Führungsanspruch streitig. Auch im weltlichen Bereich gärte es: Könige und Kaiser begehrten gegen die Kirche auf, die adelige Ritterschaft drängte mit Raubzügen auf mehr gesellschaftlichen Einfluss und die Bevölkerung hatte unter Missernten und Hungersnöten zu leiden.



Da mochte es aus politischem Kalkül reizvoll erschienen, sich an die Spitze einer breiten Bewegung zu stellen, die ihren Protagonisten den Weg in das biblische Land wies, wo "Milch und Honig fließen", wie Urban in Clermont betonte. Die Kreuzfahrer der darauffolgenden drei Jahrhunderte nahmen freilich bald auch andere Ziele ins Visier. Wie etwa beim Wendenkreuzzug von 1147 gegen die Elbslawen. Oder beim Albigenserkreuzzug von 1209 bis 1229 in Südfrankreich, der sich gegen die christliche Glaubensbewegung der Katharer richtete. Immer wieder kam es auch zu Ausschreitungen gegen Juden. Im Zentrum aber standen die Kämpfe gegen die Muslime.



Warum die moderne Aufladung des Begriffs?

Wobei, wie der Organisator der Hildesheimer Tagung, Felix Hinz, ausführt, die zeitgenössischen Machthaber im Orient ihrerseits die Expeditionen allenfalls als "Nadelstiche" wahrnahmen - mit dem "ärgerlichen Zusatz", dass mit Jerusalem die nach Mekka und Medina drittheiligste Stadt des Islam zeitweilig in die Hände der "Ungläubigen" fiel. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein habe es in der arabischen Welt gar kein eigenes Wort für "Kreuzzug" gegeben, so Hinz. "Man sprach schlicht vom "Krieg gegen die Franken"".



Wie aber kam es dann zu der modernen Aufladung des Begriffs? Warum griff US-Präsident Gorge W. Bush bei seinem Kampf gegen den islamistischen Terror auf das Konzept zurück? Weshalb warfen Kritiker der NATO eine "Kreuzzugsmentalität" bei ihrem Libyen-Einsatz vor? Ein Schlüssel liegt für Hinz im Sieg der alliierten Truppen über das Osmanische Reich während des Ersten Weltkriegs. Damals hätten sich führende Generäle zu der Aussage hinreißen lassen, die Besetzung Syriens und Jerusalems sei die späte Revanche für die gescheiterten Kreuzzüge des Mittelalters. Damit, so Hinz, habe der Westen der arabisch-türkischen Welt nach der militärischen Niederlage eine weitere Demütigung zugefügt, die bis heute nicht verwunden sei und zur Quelle wechselseitiger Vorwürfe wurde.



An diesem Punkt eröffnet die Hildesheimer Tagung durch die Anwesenheit arabischer Experten neue Perspektiven. Seit einiger Zeit hat hier die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Fahrt aufgenommen. Mit zum Teil überraschenden An- und Einsichten. So spielte nach Ansicht von Mazhar Ahmad Al-Zoby von der Universität Katar die Religion bei den mittelalterlichen Konflikten eine eher untergeordnete Rolle - im Gegensatz zu dem von US-Präsident Bush ausgerufenen "Kreuzzug". Die Debatte über das Thema geht, so scheint es, bald 1.000 Jahre nach dem Aufruf von Papst Urban II. in eine neue Runde.