Kirchen bieten an Heiligabend auch Unkonventionelles

"Stille Nacht" in vielen Tönen

An Weihnachten wird Deutschland fromm. Für jeden zweiten Bundesbürger gehört der Gottesdienstbesuch zum Fest, wie eine Umfrage erneut bestätigte. Wer mit der klassischen Christmette nicht viel anfangen kann, dem machen die Kirchen auch unkonventionelle Angebote.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

Das "Mitternächtliche Weihnachtslob" im Erfurter Dom gehört seit vielen Jahren dazu. Schon seit DDR-Zeiten gibt es die besondere Feier, die sich an die Christmette der katholischen Kathedralgemeinde anschließt. Sie nimmt auf die vielen Menschen Rücksicht, die sich bestenfalls bruchstückhaft an Gebete und Kirchenlieder aus Kindertagen erinnern, so Weihbischof Reinhard Hauke. Ihr Gemurmel und Umhergehen während der üblichen Heiligabend-Gottesdienste ließ eine "gewisse Bahnhofsatmosphäre" entstehen, erinnert sich der ehemalige Dompfarrer.



Dem soll die zusätzliche und vereinfachte Feier abhelfen. Auf Handzetteln können die Teilnehmer den Ablauf des 45-minütigen Gottesdienstes entnehmen und haben Lied- wie Gebetstexte vor Augen. Die Orgel und eine Bläsergruppe sorgen für einen festlichen Rahmen. Dem Weihbischof liegt diese Feier besonders am Herzen. Nach dem Weihnachtsevangelium knüpft Hauke in seiner Ansprache bei Alltagserfahrungen an. Er will auch denen "eine Brücke zum Weihnachtsgeheimnis bauen, denen sonst die Worte dafür fehlen". An die 2.000 Erfurter hörten ihm bei mancher dieser außergewöhnlichen Heiligabend-Feiern bereits zu.



Stille Nacht der anderen Töne in Aachen

Auch im Westen und Süden Deutschlands bieten die Kirchen Alternativen für die Christnacht. In Aachen lädt die ökumenische City-Seelsorge in ihrer Sankt-Nikolaus-Kirche zu einer "Stillen Nacht der anderen Töne", in diesem Jahr mit Querflöte und Klavier, Gedichten und der Meditation über ein ungewöhnliches Bild der Geburt Christi. Es stammt vom Südsee-Maler Paul Gauguin (1848-1903) und stellt Maria als tahitianische Schönheit dar. "Gute klassische Christmetten gibt es in der Stadt genug", begründet die evangelische City-Pastorin Silvia Engels das Angebot, "Weihnachten mal anders" zu feiern. Bis zu 250 Besucher haben es in den vergangenen Jahren angenommen.



Allzu viel Intellekt ist aber nicht immer gefragt. Einige Jahre wurde in der Mannheimer Citykirche Sankt Sebastian am Markt an Heiligabend nur wenig gesungen und gebetet, jedenfalls nicht laut. Es gab Porträts moderner Großstädter auf einer Leinwand im Altarraum, akustisch umrahmt durch Improvisationen eines Quartetts von Kammermusikern und Texten von Plato bis Heidegger. Nun heißt es schlicht "Segensfeier für Familien", und die Zahl der Besucher hat sich auf bis zu 100 verdoppelt.



Christmette für Suchende

Angesprochen sind besonders Eltern mit Kindern, "die den Krippenfeiern entwachsen sind", wie Gemeindereferentin Doris Baumgärtner erklärt. Die Religionspädagogin setzt ebenfalls auf viel Musik und selbstverfasste Texte. Wenn zum Abschluss "Stille Nacht" verklungen ist, erklärt sich der Name der Feier: Dann können sich die Familien von den Seelsorgern individuell segnen lassen.



Bei der Leipziger "Orientierung" steht der Einzelne an Heiligabend noch mehr im Mittelpunkt. Auch in diesem Jahr rechnet die "Kontaktstelle" des Jesuitenordens nur mit 20 Teilnehmern ihrer "Christmette für Suchende". Sie wendet sich besonders an Menschen, "die das Überschaubare wollen", wie es der Leiter, Pater Hermann Kügler, auf den Punkt bringt. Bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein können sie anschließend ihr Herz ausschütten.