Zur Herkunft des Weihnachtsschmucks

Licht gegen die Trostlosigkeit

Blinkende Weihnachtsmänner, bunte Lichterketten, funkelnde Sterne: Die ursprüngliche Familientradition, in der Weihnachtszeit Lichter aufzustellen, ist zu einem öffentlichen Schaubrauch geworden. Der Bonner Volkskundler Alois Döring über die Ursprünge des Lichterschmucks in der Adventszeit.

 (DR)

KNA: Herr Döring, wo liegen eigentlich die Wurzeln von Lichterkette und Co?

Döring: Das Licht ist seit jeher das zentrale Symbol von Weihnachten. In der christlichen Vorstellung bringt Jesus Christus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, Licht in das Dunkel. Die Lichterbräuche in der Adventszeit knüpfen daran an.



KNA: Welche alten Lichtertraditionen gibt es?

Döring: Ein lange geübter Brauch war, zur Christmette ein Licht mitzunehmen. Im Bergischen Land kamen die Gläubigen von den entlegenen Höfen und Ortschaften mit Fackeln zur Kirche. Dieser Brauch hat sich dort vereinzelt bis in die 1950er Jahre gehalten.



KNA: Wann kam der Weihnachtsbaum ins Spiel?

Döring: Die Tradition, einen Weihnachtsbaum mit Kerzen zu schmücken, reicht mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurück. Zunächst wurde Öl in Nussschalen gefüllt und entzündet. In späterer Zeit gab es dann Wachs-, noch später Kunstwachskerzen. Dieser Brauch wurde zunächst nur in den Familien gepflegt und kam über die Kirchen in die Öffentlichkeit. Im Jahr 1912 soll der erste öffentliche Weihnachtsbaum in New York aufgestellt worden sein - von einer aus Deutschland ausgewanderten Frau.



KNA: Heute stehen in jeder deutschen Stadt Hunderte leuchtender Weihnachtsbäume...

Döring: In den 1970er Jahren, mit der rasanten Verbreitung der Weihnachtsmärkte, hat ein regelrechter Weihnachtsbaum-Boom an öffentlichen Plätzen eingesetzt. Auf jedem Marktplatz, vor jedem Rathaus steht inzwischen ein leuchtender Tannenbaum. Seit etwa zehn Jahren schmücken auch immer mehr Privatpersonen ihre Häuser, Zäune und Bäume mit Lichterketten und blinkenden Weihnachtsmännern. Der ursprünglich familieninterne Brauch, Lichter aufzustellen, wird immer mehr zu einem öffentlichen Schaubrauch.



KNA: Wie kam es zu diesem Wandel?

Döring: Der Weihnachtsschmuck scheint, ähnlich wie bei Halloween, aus den USA nach Europa herübergeschwappt zu sein. Möglicherweise durch Touristen oder amerikanische Familien, aber auch über Spielfilme. Der Handel hat das aufgegriffen und macht inzwischen ein gutes Geschäft mit Weihnachtsdekoration. Die ursprünglich dunkle, ruhige Adventszeit wird immer heller, lauter und geschäftiger.



KNA: Was glauben Sie, warum so viele Menschen ihre Häuser so aufwendig schmücken?

Döring: In Zeiten einer immer größeren Vereinzelung der Menschen dient die adventliche Beleuchtung dazu, mit Nachbarn und Außenstehenden zu kommunizieren, ihnen eine Freude zu bereiten. Mit dem Weihnachtsschmuck tragen die Menschen ihre weihnachtlichen Gefühle in die Öffentlichkeit. Auffällig ist, dass in sozial schwachen Großstadtvierteln die Häuser besonders bunt geschmückt sind - quasi als Maßnahme gegen die ansonsten triste persönliche Situation.



KNA: Inzwischen versuchen vor allem Kirchengemeinden wieder auf den Ursprung der Adventszeit hinzuweisen: als stille, dunkle Vorbereitungszeit auf das Licht an Weihnachten.

Döring: Seit einigen Jahren gibt es den Brauch eines "lebendigen Adventskalenders". Eine kleine Gruppe aus der Gemeinde trifft sich vor dem Haus eines Gemeindemitglieds zu einer kleinen besinnlichen Feier. Nur mit Kerzen beleuchtet soll ein Gegenpunkt zur hektisch lärmenden Weihnachtszeit gesetzt werden.



Das Gespräch führte Bettina Nöth.