KNA: Herr Hagencord, stehen Ochs und Esel an der Krippe als Symbole für etwas Höheres oder als Tiere an sich?
Hagencord: Einerseits sind Tiere in der Bibel oft als Lehrer oder Vorbilder für die Menschen zu sehen. Als Symbole, die immerzu von Gott bewegt werden. Der Theologe Thomas von Aquin sagt dazu, die Tiere haben eine Gottunmittelbarkeit, die der Mensch verloren hat. Tiere folgen also unbewusst Gottes Willen. Das hat der Mensch verlernt und kann es sich von den Tieren abschauen. Andererseits sind Tiere ganz "unsymbolisch" ein Teil der Schöpfung und gehören deshalb auch zur Krippe dazu. Schon im Alten Testament heißt es, dass der Mensch nicht ohne Tiere leben kann; sie sind seine Gefährten.
KNA: Wenn Tiere ein Teil der Schöpfung sind, wie passt das dann mit dem Festschmaus an Weihnachten zusammen?
Hagencord: Eigentlich gar nicht. Denn Tiere sind wie wir geliebte Geschöpfe Gottes und haben ihren Platz bei Gott. Und wir müssen uns die Frage stellen, warum wir sie dann essen. Wenn ich an Weihnachten einen Braten verspeisen will und mich als Christ bezeichne, muss ich wenigstens einen Gedanken darauf verwenden, wie das Tier gehalten wurde und wie es gestorben ist. Ich sollte dann nicht die Pute für 3,49 Euro kaufen, sondern die für 13,49 Euro.
KNA: Das heißt, Sie fordern die Leute auf ...
Hagencord: ... sich auf den Weg zu machen und zu schauen, wie das Tier, das sie essen, gelebt hat. Im Vergleich: Was tun manche Menschen für ihr Auto? Es gibt ein unglaubliches Wissen über Kraftfahrzeuge in der Gesellschaft, aber keines über die Ernährung.
KNA: Was essen Sie an Weihnachten?
Hagencord: Ich lebe schon seit einigen Jahren vegetarisch. Vergangenes Weihnachten gab es Brokkoli-Cremesuppe und mit Paprika und Pilzen gefüllte Kartoffeln.
Das Interview führte Larissa Hinz.
Theologe Hagencord über Tiere an der Krippe und den Festbraten
"Wie ist die Weihnachtsgans gestorben?"
Weihnachtszeit ist Essenszeit: Gans, Wild oder einfach nur Kartoffelsalat mit Würstchen kommen oft in deutschen Familien auf den Tisch. Der Priester und Zoologe Rainer Hagencord vom Institut für Theologische Zoologie an der philosophisch-theologischen Hochschule der Universität Münster ruft im Interview dazu auf, den Fleischkonsum zu überdenken.
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