Sozialverbände fordern den Verzicht auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit

Rente mit 67 bleibt in der Kritik

Die Rente mit 67 sorgt unmittelbar vor der Einführung weiter für Kritik. Sozialverbände forderten den Verzicht auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die SPD plädierte für eine Aussetzung. VdK und der SoVD warnten zudem vor einer wachsenden Armut in Deutschland. Die Caritas fordert weiteren Abbau der Altersdiskriminierung.

 (DR)

VdK-Präsidentin Ulrike Mascher sagte der Nachrichtenagentur dapd: "Eine echte Verbesserung der Arbeitsmarktsituation für Ältere ist nicht in Sicht." De facto sei die Rente mit 67 deshalb ein Rentenkürzungsprogramm. Am 1. Januar 2012 wird die Rente mit 67 eingeführt. Damit verlängert sich die Lebensarbeitszeit schrittweise für die Geburtsjahrgänge 1947 bis 1958 um jeweils einen Monat pro Jahr. Für die folgende Jahrgänge verlängert sich die Altersgrenze um je zwei Monate.



Mascher betonte: "Vom Aufschwung am Arbeitsmarkt können längst nicht alle profitieren." So hätten Behinderung und Ältere nur geringe Chancen, einen neuen Job zu finden. "Dass die Armutsquote trotz der positiven Wirtschaftsentwicklung und der sinkenden Arbeitslosenzahlen nicht kleiner geworden ist, sollte die Politik aufrütteln." Es sei ein Zeichen dafür, dass immer mehr Menschen vom allgemeinen Aufschwung abgehängt blieben.



Sie warf der Politik vor, die Prävention von Altersarmut zu vernachlässigen. "In Zeiten sich ausbreitender prekärer Beschäftigung mit Teilzeit-, Mini- oder Zeitarbeitsjobs und entsprechend niedriger Entlohnung sowie immer häufiger unterbrochener Erwerbsbiografien, das Ganze gekoppelt mit einem immer mehr sinkendem Rentenniveau, steuern wir auf ein großes Problem der Altersarmut in der Zukunft zu."



Duin nennt Zeit für Rente mit 67 noch nicht reif

Der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, sagte: "Die noch nicht absehbaren Folgen der Euro-Schuldenkrise werden die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen die Armut verschlechtern." Bedrohlichere Formen werde insbesondere die Altersarmut annehmen.



Bauer fügte hinzu, die Rentnerhaushalte hätten bereits in den vergangenen Jahren real stark an Einkommen verloren. Auch die für 2012 angekündigte Rentenanpassung könne diese Kaufkraftverluste nicht auffangen.



Insbesondere für Langzeitarbeitslose, prekär Erwerbstätige und Niedriglohnbezieher steige das Armutsrisiko. Bauer betonte: "Denn sie erwerben nur geringe Rentenanwartschaften und haben nicht die Möglichkeit, privat vorzusorgen." Dazu komme der Einstieg in die Rente mit 67 am 1. Januar 2012. Auch Bauer sprach von einem Rentenkürzungsprogramm.



Der SPD-Abgeordnete Garrelt Duin bezog sich auf die Debatte um ältere Erwerbslose, die in der Arbeitslosenstatistik des Bundes nicht erfasst werden: Die neuen Zahlen belegen, dass die Zeit für die Rente mit 67 noch nicht reif ist. Die SPD ist für eine Verschiebung der Einführung, bis Ältere eine echte Chance auf dem Arbeitsmarkt haben", sagte er der "Bild"-Zeitung.



Caritas: Erhöhung des Rentenalters notwendig

"Die von der Großen Koalition beschlossene Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre ist notwendig, um die Gesetzliche Rentenversicherung stabil zu halten", erklärt dagegen Caritas-Generalsekretär Georg Cremer. "Allerdings muss die starke Diskriminierung älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt weiter abgebaut werden."



Bereits jetzt zeigten sich bei der Integration in den Arbeitsmarkt erste Erfolge: So ist der Anteil der Erwerbstätigen in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren seit 2006 von 48 Prozent auf heute 56 Prozent angestiegen. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Älterer hat zugenommen. "Dieser Weg muss weiter beschritten werden, da die bisherigen Erfolge noch nicht ausreichen. Es muss noch mehr in berufliche Weiterbildung investiert werden, um lebenslanges Lernen zu sichern", macht Cremer deutlich. Dabei sei es auch entscheidend, die Organisation der Arbeitsabläufe in den Unternehmen und Betrieben viel stärker als heute auf die altersspezifischen Belange und Bedürfnisse abzustimmen.



Grüne für Rentenversicherung für Freiberufler

Die Grünen schlugen unterdessen vor, auch Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, um sie vor Altersarmut zu schützen. Der Rentenexperte der Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, sagte dem Deutschlandradio Kultur, es sei überfällig, die Rente auf die Zukunft einzustellen. Er begrüßte den Vorstoß aus der Union für eine Grundabsicherung der Selbstständigen. Notwendig sei aber "auch für die Rente so etwas wie eine Bürgerversicherung, wo alle einzahlen". Über eine private Rentenvorsorge sei etwa die Erwerbsminderung nicht abgesichert. "Es kann sein, dass Menschen privat vorsorgen und trotzdem in der Grundsicherung landen", sagte Strengmann-Kuhn.