Ban Ki Moon startet weitere Amtszeit als Generalsekretär

Das Phantom in der UNO

Stell dir vor, es ist UNO, und keiner hört hin. Fast klingt ein Hauch von Mitleid mit, wenn man in der Zeitung die Worte liest: "UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich ..." - Man kann sie aufsagen, die so tonlosen wie korrekten Erklärungen aus dem Hauptquartier am New Yorker East River - und hat beim Rezitieren längst kein Gesicht mehr vor Augen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Am 1. Januar beginnt die zweite Amtszeit des Südkoreaners. Die Weisheit ist nicht neu: Die UNO ist immer nur so stark, wie die fünf Vetomächte - USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - sie haben wollen. Und im Sommer 2006 wollten die George Bushs, die Wladimir Putins und Tony Blairs eben keine noble Lichtgestalt mehr; kein säkulares Weltgewissen wie den Friedensnobelpreisträger Kofi Annan. Auch die Boshaftigkeit der kontinentalen Arithmetik im UN-Vorsitz mag eine Rolle dabei gespielt haben, dass Südkoreas Außenminister Ban die Bühne der Welt betrat.



Gewiss, ein guter Ruf ging dem unauffälligen, ja unscheinbaren Mann voraus: Ein effizienter "Troubleshooter" sei er, verhandlungserfahren und uneitel, wenn es um die Eigenvermarktung von Erfolgen geht; ein Aktenfresser und konsequenter Modernisierer.  Gut also für den ewigen UN-Wasserkopf, der für gewöhnlich Kosten, aber keine Ergebnisse präsentiert. Doch was kann eine Organisation ausrichten, deren einzige Macht der Appell, die Überzeugung, das gesprochene Wort ist, wenn die Worte ihres fleißigen Frontmanns schon beim Gang zum Rednerpult unwillkürlich wieder in der inneren Klarsichthülle verschwinden?



Im Juni 2011 wurde Ban per Akklamation für eine zweite Amtszeit zum Generalsekretär bestimmt - und selbst dieser weltweit relevante Wahlakt blieb mäuschenstill und wurde von der medialen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Aller Voraussicht nach wird also Ban der Generalsekretär sein, der 2015 vor die versammelte Weltgemeinschaft tritt und Rechenschaft abzulegen hat über das Gelingen oder Scheitern der acht ehrgeizigen UN-Millenniumsziele des Jahres 2000.



Halbierung von extremer Armut und Hunger? Halbierung der Kindersterblichkeit? Grundbildung für alle? Ein Stillstand in der Ausbreitung von HIV/Aids und weltweiter Zugang zu Aids-Medikamenten? 2015 ist 2012 nun wirklich keine ferne Zukunft mehr. Und viele der namhaften Fortschritte, die in diesen Bereichen in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts tatsächlich erzielt worden sind, haben Naturkatastrophen, Kriege und die globale Wirtschaftskrise inzwischen wieder aufgefressen. Dies zu konstatieren, ist eine Sache. Doch es herauszuschreien, die nadelgestreiften Berufsclaqueure der Armutskonferenzen, Klimagipfel und Generalversammlungen aufzuwecken aus ihrem Vollkaskoschlaf, ist eine völlig andere.



Ein Stück Trapattoni bräuchte die UNO. Die Millionen Flüchtlinge und Kriegsopfer; die Hungernden; die entrechteten Frauen; die Tausenden Blauhelme, die ihren Kopf hinhalten sollen für eine Weltgemeinschaft, die es vorzieht wegzuschauen von all den Konflikten und Katastrophen: Sie brauchen eigentlich eine Identifikationsfigur, die Tag für Tag drastisch vor Augen führen kann, wo und warum gestorben wird; die die monströsen Diskrepanzen zwischen Rüstungsausgaben und Armutsbekämpfung nicht nur emsig auf ihrem Vielfliegerticket notiert, sondern sie den Mächtigen in geeignetem Rahmen auch spürbar auf die Ohren gibt. Und die am Ende vielleicht gar die Autorität besäße, die so kraken- wie ameisenhafte Bürokratisierung des eigenen Hauses mit einem findigen Masterplan zu erledigen.



Der UNO-Generalsekretär Ban kommt aus einer höflichen Weltregion, in der man traditionell vor allem vor einem Angst hat: dem Gesichtsverlust. Was aber, wenn der gesamten Weltorganisation auch in den kommenden vier Jahren nichts mehr fehlt als - ein Gesicht?