200. Geburtstag von Bismarck-Gegenspieler Windthorst

Politiker und Katholik

Ludwig Windthorst teilt das Schicksal vieler Oppositionspolitiker: Sie bleiben nur selten im historischen Gedächtnis. Doch Windthorst war der wichtigste Gegenspieler von Reichkanzler Otto von Bismarck. Und der Zentrumspolitiker hat noch mehr zu bieten: Auf sein Engagement gehen der organisierte Laienkatholizismus und die Katholikentage zurück.

Autor/in:
Volker Resing
 (DR)

Sein Verständnis von Recht und Demokratie haben Eingang gefunden in die deutsche Parlamentstradition. Windthorst hat zudem ein Verständnis von politischem Katholizismus geprägt, das lange auch noch die CDU der Bundesrepublik getragen hat.



Am 17. Januar 1812, vor 200 Jahren, wurde Windthorst in Ostercappeln bei Osnabrück geboren. Er entstammt einer traditionell katholischen Familie. Trotz widriger Umstände machte er Abitur und studierte Jura. Biografen beschreiben ihn als besonders fleißig und durchsetzungsstark. Er verfolgte zunächst eine juristische, dann eine politische Karriere und wurde ins Abgeordnetenhaus des Königreichs Hannover gewählt. Trotz seiner katholischen Konfession wurde er sogar Minister. Es ist eine der vielen Unwahrscheinlichkeiten seines Lebens.



Später wurde Windthorst Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses sowie des Reichstags. Nach der Reichsgründung 1871 stieg er als Führer der Zentrumspartei zum Gegenspieler Bismarcks auf. Windthorst galt als begnadeter Debattenredner. Allerdings war er auch von der Statur her ein Gegenbild zum hünenhaften Bismarck. Wegen seiner geringen Körpergröße hielt er seine Reden vom Platz aus, um nicht hinter dem Rednerpult zu verschwinden.



Auseinandersetzungen im Kulturkampf

Von Bismarck ist der Ausspruch überliefert: "Mein Leben erhalten und verschönern zwei Dinge: meine Frau und - Windthorst. Die eine ist für die Liebe da, der andere für den Hass." Heute hängt im Gebäude der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, gegenüber dem Reichstag, ein Ölgemälde des katholischen Parlamentariers ebenbürtig zu dem Bildnis des Eisernen Kanzlers.



Die Auseinandersetzungen im sogenannten Kulturkampf waren der Höhepunkt im politischen Wirken Windthorsts. Und zugleich markieren sie auch seine größte Niederlage. Der Zentrumspolitiker kämpfte gegen die Benachteiligung der Katholiken und musste sich dafür als ultramontaner, das heißt papsttreuer, Reichsfeind beschimpfen lassen. Zugleich setzte er sich für Gleichberechtigung auch etwa von Juden und Polen ein. Auch die Sozialistengesetze griff er an - weil er sich auch als Rechtsstaatler sah. "Wir müssen fest entschlossen bleiben, die Andersdenkenden wie unsere Brüder zu achten und zu lieben", sagte er beim Katholikentag 1883. Er ermöglichte es den Sozialdemokraten sogar, im Parlament Anträge zu stellen, als denen dies noch nicht gestattet war.



Stiftung erinnert an Widthorst

Doch diese unideologische Herangehensweise nutzte Bismarck aus. Der Reichskanzler beendete schließlich den Kulturkampf - an Windthorst vorbei - durch eine Vereinbarung mit Papst Leo XIII. Der Vatikan war an einer Restitution des Kirchenstaates interessiert und brauchte Hilfe aus Berlin. Die Katholiken in der Zentrumspartei wurden von Papst und Kanzler übergangen. Diese deutsch-römische Konfliktsituation ist bis heute prägend für katholische Politiker. "Wir handeln frei nach unseren eigenen Überzeugungen, und selbst die Bischöfe Deutschlands haben auf unser Tun und auf unsere Beschlüsse nicht den geringsten Einfluss", polterte Windthorst damals zurück.  Seitdem hat der politische Katholizismus in Deutschland ein eigenes Verständnis von Unabhängigkeit.



Für die Erinnerung an Ludwig Windthorst setzt sich inzwischen eine gleichnamige Stiftung im emsländischen Lingen ein. Gegründet wurde sie von dem CDU-Politiker Werner Remmers. Als dieser 1962 gerufen wurde, um im Bistum Osnabrück eine neue Bildungsstätte aufzubauen, setzte er beim Bischof durch, dass diese nicht den Namen eines Heiligen oder eines Bischofs bekam. Vielmehr gründete er in Lingen das Ludwig-Windthorst-Haus. In Vergessenheit gerät Windthorst zumindest im Emsland jedenfalls nicht mehr.