Präsidentin Rousseff besucht Haiti und hat eine Einwanderungsdebatte im Gepäck

Brasilien nimmt nicht jeden auf

Brasilien braucht dringend Facharbeiter. Nur sperrt es sich gegen Migranten aus Haiti. Das sorgt für eine Diskussion über eine Erneuerung des veralteten Ausländerrechts in dem Boomland. Das Thema Immigration steht auch auf dem Programm, wenn Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff heute Haiti besucht.

Autor/in:
Thomas Milz
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (KNA)
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff / ( KNA )

Seit dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010 reisten immer mehr Haitianer über Peru und Bolivien nach Brasilien ein. Zuletzt warteten gut 4.000 in den Grenzorten auf eine Arbeitsbewilligung und ein unbefristetes Visums. Das war bis zum 31. Dezember möglich. Inzwischen darf nur ins Land, wer von der brasilianischen Botschaft in Port-au-Prince eines von monatlich 100 Arbeitsvisa erhalten hat. Über die Auswahlkriterien herrscht derzeit Ungewissheit.



Mario Geremia, Leiter der katholischen Einwandererseelsorge in Sao Paulo, ist damit unzufrieden. Brasilien sei "ein riesiges und reiches Land voller Möglichkeiten", sagt der Priester. In seiner Einrichtung leben seit Anfang Januar 23 Haitianer, alle mit gültigen Papieren. Geremia hat in einem Offenen Brief an die Regierung mehr Anstrengungen für den Wiederaufbau des Karibikstaats und eine neue, offenere Einwanderungspolitik verlangt. "Und dies nicht bloß für die Haitianer."



Lula-Novelle liegt auf Eis

Einen ersten Schritt in diese Richtung hatte Brasiliens damaliger Präsident Lula da Silva 2009 unternommen. Seine Novelle des Einwanderungsgesetzes sah vor, dass ausländische Facharbeiter und Flüchtlinge leichter an Visa kommen und die gleichen Rechte wie Brasilianer erhalten. Allerdings liegt der Gesetzentwurf, der die noch aus Diktaturzeiten stammende derzeitige Regelung ablösen soll, im Kongress auf Eis.



Trotz eines eklatanten Fachkräftemangels - vor allem bei Ingenieuren - wurde lediglich der Zuzug von Personen aus dem südamerikanischen Binnenmarkt Mercosur und einigen anderen südamerikanischen Ländern erleichtert. Für Europäer und US-Bürger bleibt die Einwanderung schwierig. Und jetzt auch für Haitianos.



"Das Thema ist komplex, schließlich haben wir eine ganz besondere Beziehung zu Haiti", meint der brasilianische Diplomat Samuel Guimaraes. Eine Visavergabe sei das Mittel, um illegale Einwanderung einzudämmen. Auch Verteidigungsminister Celso Amorim, der zuvor als Außenminister den Wiederaufbau in Haiti begleitete, sieht sein Land gegenüber den Haitianern in der Pflicht. "Man kann nicht die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt sein und gleichzeitig untätig bleiben", meint Amorim. In Brasilien selbst müsse man "den gleichen humanitären Geist walten lassen wie dort in Haiti".



Warum das harte Durchgreifen?

Es gibt aber auch Rückhalt für die Regierung bei ihrem Kampf gegen illegale Einwanderung, etwa von der brasilianischen Nichtregierungsorganisation "Viva Rio", die beim Wiederaufbau in Haiti mitwirkt. Die Regierung habe die haitianischen Migranten "aus der Abhängigkeit der Schlepper befreit", sagt Ubiratan Angelo, Leiter der Haiti-Mission von "Viva Rio". Niemand sei abgeschoben worden, betont er. Jetzt würden lediglich die geltenden Regeln angewendet. Zudem seien die Betreffenden weder politisch verfolgt noch arm - schließlich hätten sie mindestens 4.000 Dollar pro Kopf für den illegalen Weg nach Brasilien gezahlt



Wenn Präsidentin Rousseff am Mittwoch nach Haiti reist, will sie auch die Situation der Haitianer in Brasilien und die neuen Visaregeln ansprechen. Auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre hatte sie am Donnerstag noch vor Fremdenfeindlichkeit und dichten Grenzen in den Industriestaaten als Folge der Wirtschaftskrise gewarnt. Warum ihre Regierung jetzt meint, dass 4.000 illegale Haitianer ein hartes Durchgreifen erfordern, wird auch die Gastgeber Rousseffs interessieren.