domradio.de: Wie sehen Sie das denn: Ein politischer Protestantismus, würde uns das gut tun?
Glück: Herr Gauck ist aufgrund seiner Qualifikation als Bürgerrechtler, als politischer Mensch und in Verbindung natürlich dann mit seiner Persönlichkeit für dieses Amt nominiert worden. Nicht weil er evangelischer Pfarrer ist, auch nicht unter Bezug auf seine Religion. Aber gleichzeitig ist es sehr gut, dass jemand, der sich zum Glauben und zu seiner Kirche bekennt, in ein solches Amt gewählt wird. Und dass das selbstverständlich kein Ausschließungsgrund sein kann. Das wäre ja ein ganz komischer Laizismus, wenn religiöse Prägungen und eigene religiöse Praxis hier ein Ausschließungsgrund wären.
domradio.de: Würden Sie denn sagen, Kirchenmänner und -frauen können das im Allgemeinen besser, moralische Autorität beweisen und dann eben auch in so einem Amt sein?
Glück: Nein, ich würde nicht sagen, sie können es im Allgemeinen besser. Das wäre ein Anspruch, da sollten wir uns nicht überhöhen. Aber ich glaube, es entspricht auch einer Entwicklung in unserer Gesellschaft, wo Religion wieder einen ganz anderen Stellenwert hat; Religion ganz allgemein. In einer Zeit, in der wahrscheinlich so viele Menschen wie noch nie unterwegs sind auf der Suche nach Sinn und Orientierung. Sowohl für ihr eigenes Leben wie für das gesellschaftliche. Wenn dann Personen eine Zustimmung finden und vielleicht manchmal auch eine Projektionsfläche bieten, Menschen, die ihren Lebensweg mit Überzeugung gegangen sind, auch nicht ohne Brüche, auch nicht ohne Widersprüchlichkeiten, können sie auch Orientierung bieten.
domradio.de: Wenn man das jetzt in letzter Zeit ein bisschen beobachtet hat, es wurden ja auffällig viele evangelische Theologen besonders gehandelt. Margot Käßmann zum Beispiel war im Gespräch, Kathrin Göring-Eckhardt und Wolfgang Huber auch. Wie erklären Sie sich das? Die engagierten Katholiken tauchen da nicht so auf.
Glück: Ich glaube, dass das jetzt weniger mit dem Evangelischen zu tun hat. Sicher sind etwa Bischof Huber und Frau Käßmann aus ihren kirchlichen Funktionen her bekannt und haben ja auch gerade wegen ihrer unmittelbaren kirchlichen Funktionen von verschiedenen Gruppen Ablehnung gefunden. Da wurde ja vor einer zu starken Verquickung von kirchlicher Funktion und politischer Funktion gewarnt.
Aber aufs Ganze gesehen spielt die Konfessionen da keine große Rolle. In der Tat ist es so, dass im evangelischen Bereich vielleicht die eine oder andere Persönlichkeit gegenwärtig in den Medien stärker in Erscheinung getreten ist. Auf der anderen Seite war in engster Wahl auch der Bundestagspräsident Norbert Lammert, der schon als Bundestagspräsident die zweithöchste protokollarische Position in der Bundesrepublik Deutschland hat. Und Norbert Lammert ist ein engagierter und bekennender Katholik. Also kann auch nicht davon die Rede sein, dass Katholiken überhaupt nicht da wären.
domradio.de: Also Sie sehen das auch ökumenisch?
Glück: Ich denke, es wäre ziemlich dämlich, wenn wir grad in der Zeit der Ökumene jetzt eine konfessionelle Eifersüchtelei beginnen würden. Es ist sehr gut ,wenn Christen in solche Ämter berufen werden und damit auch dokumentieren, dass eben Christen durchaus alle Voraussetzungen mitbringen oder mitbringen können für ein solches Staatsamt in einem natürlich weltanschaulich neutralen Staat, in einem Gemeinwesen, das Wertorientierung braucht. Ganz im Sinne auch der Formulierung von Böckenförde: "Der Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann."
domradio.de: Wenn Sie sich jetzt den neuen Kandidaten so ansehen, glauben Sie das ist eine Art Heiliger, der da dann in der Politik zu finden sein wird?
Glück: Das würde Joachim Gauck ganz bestimmt ablehnen, ihn so einzuordnen. Das kann er nicht sein, will er nicht sein. Diese geradezu Über-Erwartung ist sogar ein gewisses Risiko für sein Amt. Er wird sicher auch mit manchen Positionen Irritationen auslösen, aber auf der anderen Seite wird man, denke ich, immer registrieren können, was er auch sagt, es hat mit einer ernsthaften, inneren Befassung mit Themen zu tun. Unabhängig davon, ob man dem zustimmt oder nicht.
domradio.de: Nun wird Gauck gerade von Ihrem Parteifreund Norbert Geis aufgefordert, seine persönlichen Lebensverhältnisse zu klären, weil er nicht mit seiner Ehefrau zusammenlebt. Geht das nicht zu weit?
Glück: Ich bin in großer Sorge, dass da wieder eine allzu unbarmherzige Ausleuchtung des Privatlebens stattfindet. Es muss noch ein Privatleben geben. Sonst kann das auch eine abschreckende Wirkung auf Bewerber für ein öffentliches Amt haben.
Das Interview führte Verena Tröster.
Hintergrund
Noch ist der designierte Bundespräsident Joachim Gauck nicht im Amt, schon gerät die neue "First Lady" ins Visier. Denn mit dem allseits hoch gelobten 72-jährigen Theologen und Bürgerrechtler, der von seiner Ehefrau getrennt lebt, wird wohl seine langjährige Lebensgefährtin mit ins Schloss Bellevue ziehen: die Journalistin Daniela Schadt (52).
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis forderte nun den Kandidaten auf, seine persönlichen Lebensverhältnisse "so schnell als möglich zu ordnen" und zu heiraten, wie die "Passauer Neue Presse" (Dienstagsausgabe) berichtete. Dies liege in Gaucks eigenem Interesse, "damit insoweit keine Angriffsfläche geboten wird", argumentierte Geis, der dem Forum Deutscher Katholiken angehört.
Von SPD und Grünen kam umgehend scharfe Kritik an Geis" Äußerungen. "Ich kann meinem Freund Norbert Geis nur zurufen: halt den Mund", sagte Dieter Wiefelspütz (SPD) der "Mitteldeutschen Zeitung" in Halle (Mittwochsausgabe). "Das ist eine abwegige Diskussion. Als ob wir keine anderen Sorgen hätten!"
"Wie Herr Gauck sein Privatleben lebt, geht niemanden etwas an", sagte der Grünen-Politiker Volker Beck der Zeitung: "Es bildet einen Teil der Realität ab, dass auch Unverheiratete zusammenleben." Das private Leben Gaucks sei nicht ungeordnet, sondern "nur eben anders geordnet", so der bekennende Homosexuelle. Er erwarte da "Respekt".
Und auch die FDP verteidigte das Recht des Bundespräsidenten in spe auf einen eigenen liberalen Lebensentwurf. Die Kritik von Geis sei "stillos", sagte Außenminister Guido Westerwelle der "Rheinischen Post" in Düsseldorf (Mittwochsausgabe). Deutschland sei ein "modernes Land".
Gauck selbst hatte vor der Wahl des Staatsoberhaupts 2010 angedeutet, im Fall seines Siegs wolle er heiraten. "Schnelle Heirat ist ausgeschlossen, spätere nicht unbedingt", sagte er damals laut Medienberichten. Allerdings ist er noch nicht geschieden. Mit Ehefrau "Hansi" hat Gauck vier erwachsene Kinder und mehrere Enkelkinder. Die Ehe war nach der Wende zerbrochen; sie hatte offenbar dem Druck des DDR-Regimes auf die Familie nicht standgehalten.
Nachdem ihr Freund in der Bundesversammlung Christian Wulff unterlegen war, meinte Daniela Schadt, die seit zwölf Jahren an Gaucks Seite ist, nun seien Heiratspläne wieder Privatsache. Inzwischen sind sie wieder von öffentlichem Interesse. Doch das Paar hüllt sich noch in Schweigen. Schadt hatte auch am Dienstag ihr Redaktionsbüro bei der "Nürnberger Zeitung" nicht betreten. Für Journalistenkollegen war sie nicht erreichbar. Gauck selbst wollte sich am Dienstag nicht dazu äußern.
Protokollarisch ist der Fall für das Bundespräsidialamt indes klar: "Das Grundgesetz sieht keine "First Lady" vor", sagt der stellvertretende Sprecher des Amtes, Martin Schulze. "Allerdings wird sehr wohl erwartet, dass die Partnerin gewisse ehrenamtliche Verpflichtungen wahrnimmt." Und das seien nicht wenige. So war Bettina Wulff etwa Schirmherrin des Kinderhilfswerks UNICEF Deutschland; ein Ehrenamt, das auch schon ihre Vorgängerin Eva Luise Köhler innehatte - eines von vielen.
Der Bundestag, der über den Staatshaushalt befindet, habe für die "Frau des Bundespräsidenten" ein Büro mit Sekretärin und Referenten vorgesehen, heißt es zudem im Präsidialamt. Die "Frist Lady" verfügt über ein Budget, Chauffeur und Leibwächter inbegriffen. Für Daniela Schadt wird dies nicht anders sein - verheiratet oder nicht.
Gelassenheit zeigte sich auch die evangelische Kirche: "Das ist Gaucks Privatangelegenheit. Da haben wir uns nicht einzumischen", sagt die evangelische Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Joachim Gauck sei ein Mensch, dem man keinen unsoliden Lebenswandel nachsagen könne. "Beide werden eine Entscheidung treffen, die gut ist und für sie stimmt. Darauf sollten wir vertrauen."
(epd)
ZdK-Präsident Glück warnt vor zu hohen Erwartungen an den Christenmenschen Gauck
"Gauck wird auch Irritationen auslösen"
Gauck, Käßmann, Huber, Göring-Eckardt, Kauder: Erstaunlich viele bekennende Christen waren im Gespräch um das Präsidentenamt, bevor dann die Wahl auf den Pastoren Gauck fiel. Alois Glück, CSU-Politiker und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, spricht im domradio.de-Interview über Glauben und Politik.
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