Militärbischof Overbeck warnt nach Koran-Unruhen vor Afghanistan-Abzug

"Land nicht sich selber überlassen"

Nach den Unruhen in Afghanistan in Folge der Koranverbrennung durch US-Soldaten ist auch eine Debatte um den Bundeswehreinsatz entbrannt. Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck warnt vor einem überstürzten Rückzug der deutschen Soldaten.

 (DR)

"Wir dürfen uns jetzt nicht aus Skepsis zurückziehen und das Land sich selbst überlassen", sagte der Bischof von Essen der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe). Angesichts der schwierigen politischen Situation in Afghanistan werde es noch lange dauern, bis die internationalen Anstrengungen Früchte tragen. "Da gehört viel Geduld dazu, das gilt auch für die Kirche."



Insgesamt sieht der Militärbischof auf die Bundeswehr wachsende Aufgaben in der Welt zukommen. Overbeck: "Die Globalisierung wird in allen Bereichen des Lebens noch große Konfliktfelder eröffnen, aus denen wir uns nicht heraushalten können." Das sei eine internationale Verantwortung, "da können wir nicht einfach sagen: Wir sind die Gutmenschen und lassen andere die Arbeit tun." Das gelte gerade für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.



In Afghanistan halten unterdessen die Proteste gegen die Koran-Verbrennungen durch US-Truppen an. Auch am Samstag gab es bei Demonstrationen in verschiedenen Teilen des Landes wieder zahlreiche Tote und Verletze, wie afghanische Medien berichteten. Mindestens drei Menschen starben in der Logar-Provinz unweit der Hauptstadt Kabul, drei weitere kamen in der Kundusregion im Norden des Landes ums Leben, wo die Bundeswehr ein großes Feldlager hat. Demonstranten versuchten das Büro der Vereinten Nationen in Kundus zu stürmen und steckten das Gebäude teilweise in Brand. Insgesamt sind bei den fünf Tage währenden Protesten mehr als 25 Menschen getötet worden.



Oder beschleunigter Teilabzug?

Der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Roderich Kiesewetter (CDU), trat für einen beschleunigten Teilabzug aus Afghanistan ein. "Die Afghanen müssen jetzt zeigen, dass sie gelernt haben, die Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen", sagte Kiesewetter am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Angesichts der jüngsten Unruhen in Afghanistan plädiert er dafür, einzelne Bundeswehrstandorte vorzeitig zu übergeben. Insgesamt sei er jedoch nicht für einen früheren Abzug, betonte der CDU-Politiker. "Ich plädiere dafür, den Abzug in einzelnen Provinzen, wo man schon recht weit ist, zu beschleunigen."



Zur Koran-Verbrennung durch amerikanische Soldaten sagte Kiesewetter, er bedauere das "verheerende Signal", das davon ausgegangen sei. Allerdings halte er viele der Demonstrationen auch für inszeniert - durch die Taliban und deren Unterstützer. "Jetzt geht es darum, den Schaden zu begrenzen, deeskalierend zu wirken und den Afghanen zu helfen, dass sie ihre Verantwortung besser wahrnehmen." Diese müssten jetzt "zeigen, dass sie gelernt haben, die Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen."