Vor der Präsidentenwahl gibt es Kontroversen über Einwanderung und Bioethik

Werte für Frankreich

Globalisierung und Finanzkrise sind wichtige Themen im französischen Wahlkampf. Doch die beiden Präsidentschaftskandidaten wollen auch Orientierung geben. Dabei gibt es deutliche Differenzen zwischen Sarkozy und Herausforderer Hollande.

Autor/in:
Martina Zimmermann
 (DR)

Der Amtsinhaber eröffnete den Wahlkampf mit einem Interview im "Figaro Magazine", in dem er sich als Gegner von Homosexuellen-Ehe und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare outete. Nicolas Sarkozy sprach sich für die Werte "Arbeit, Verantwortlichkeit und Autorität" aus. Anders als bei seiner ersten Bewerbung um das Präsidentenamt der "Grande Nation" 2007 warnte er nun davor, Ausländern aus Nicht-EU-Staaten das kommunale Wahlrecht zu verleihen.



Nachdem Sarkozy seine Absicht kundgetan hatte, die Staatsausgaben zu reduzieren, pries er den Kurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Damit wollte er die Mitte-Wähler werben. Um den Draht zum Wahlvolk wiederherzustellen, versprach Sarkozy zudem als selbsternannter "Kandidat des Volkes" Volksabstimmungen über Arbeitslosengeld und Immigration.



Der Sozialist François Hollande konterte: "Wo ist bei vier Millionen Arbeitslosen der Wert der Arbeit?" Als seinen Wertekompass präsentierte er das Buch "Changer de destin", zu deutsch "Das Schicksal ändern": Dessen Leitbegriffe seien "Wahrheit, Leistung und Solidarität". Zu Hollandes Programm gehört eine Reform der Familiensteuergesetze. Bisher erhalten alle Familien mit jedem Kind beträchtliche Steuervorteile, der Sozialist will diese an das Einkommen koppeln. Überdies kündigte er an, den Spitzensteuersatz für Superreiche von 50 auf 75 Prozent heraufzusetzen.



Verbot von Euthanasie und Stammzellforschung

Sarkozy will am Verbot von Euthanasie und Stammzellforschung festhalten. Die Konservativen behaupten, Hollande sei für Euthanasie und wolle die "Beihilfe zur Selbsttötung" legalisieren. Der Herausforderer von Sarkozy musste diese Angriffe berichtigen: Er sei gegen Euthanasie, aber für das Recht, in Würde zu sterben und "in sehr seltenen Fällen" für einen "Akt des Mitgefühls" im Interesse der Betroffenen.



Bei einem Besuch des Forschungsinstituts Genopole im Pariser Vorort Evry versprach Hollande den Forschern, Stammzellforschung zu erlauben, um "Menschenleben zu retten" und die Wissenschaftler nach Frankreich zurückzuholen. Doch im Interesse der Menschenwürde müsse der Rahmen sehr streng geregelt sein, menschliches Leben dürfe keine Handelsware werden.



Mit den Themen Einwanderung und Integration versucht Sarkozy Wähler zurück zugewinnen, die vor fünf Jahren für den rechtsextremen Front National stimmten. Nachdem die Front National-Kandidatin Marine Le Pen eine hitzige Debatte über "Halal-Fleisch", das von geschächteten Tieren stammt, losgetreten hatte, mokierte sich der Präsident bei einem Besuch auf dem Großmarkt Rungis zunächst über die Herausforderin. Inzwischen hat Sarkozy das Thema selbst besetzt und fordert eine für alle Verbraucher transparente Kennzeichnung von Fleischerzeugnissen, die nach dem islamischen Ritus ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden.



In dieser Woche wartete der Präsident mit der Botschaft auf, dass es zuviele Einwanderer in Frankreich gebe. "Unser System der Integatrion funktioniert mehr und mehr schlecht, weil wir zuviele Ausländer im Land haben und es nicht gelingt, für sie Wohnung, Arbeit und Schulen zu finden."



Flirt mit den Wählern der Rechtsextremen

Sarkozys Vorschlag von Abstimmungen über Immigration und Arbeitslosengeld ist für die Sozialisten ein Flirt mit den Wählern der Rechtsextremen. "Er will glauben machen, dass wir für eine massive Regularisierung der Menschen ohne Papiere sind", schimpft

Hollande: "Eine allgemeine Regularisierung kommt nicht in Frage."



Nicolas Sarkozy grenzt sich von Hollande auch dort ab, wo es um den Platz der Religion in der Gesellschaft angeht. Der sozialistische Bewerber Hollande will die Laizität in der Verfassung festschreiben. Bisher regelt ein Gesetz von 1905 die strikte Trennung von Staat und Kirche und macht Religion zur Privatsache, die im öffentlichen Leben keinen Platz hat.



Bei einem Empfang für Religionsführer im Elyseepalast warb Sarkozy unlängst dafür, dass die Religionen ihre Stimme in der Gesellschaft erheben sollten. Eine Verfassungsänderung sei nicht nötig, denn die Laizität sei bereits in der Präambel festgeschrieben. Seinem Herausforderer unterstellte er eine "fundamentalistische" Sicht der Laizität, die Frankreich nicht brauche: Stattdessen sei Frankreich mehr denn je auf Einheit und Zusammenhalt angewiesen.