Auch für DDR-Heimkinder gibt es einen Entschädigungsfonds

"Ein lebenslanges Stigma"

Jetzt haben auch die Opfer der DDR-Heime Aussicht auf finanzielle Wiedergutmachung: Nachdem ehemalige westdeutsche Heimkinder seit Jahresbeginn eine Entschädigung beantragen können, stellten die Bundesministerien für Familie und Inneres nun einen Bericht zur DDR-Heimerziehung vor.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Der Bericht zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR wurde am Montag in Berlin vom Bundesfamilien- und Bundesinnenministerium sowie den Fachministern der ostdeutschen Länder und einem früheren Heimkind vorgestellt. Der Bericht ist von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erstellt worden und enthält auch Berichte und Forderungen der Heimkinder selbst.



Initiative aus Thüringen

Manfred May wählt seine Worte mit Bedacht. "Die DDR-Heimkinder sind ihr Stigma ihr Leben lang nicht losgeworden", sagt der Ansprechpartner für Betroffene in der Thüringer Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder. Eine kritische Öffentlichkeit, die sich mit der Erziehung und Misshandlungen in den Heimen auseinandersetzte, habe es unter dem SED-Regime nicht gegeben.



In den vergangenen Jahren hat der langjährige Mitarbeiter der Caritas mit rund 550 Betroffenen gesprochen. Fast alle von ihnen durchliefen staatliche Einrichtungen, nur sechs wuchsen in kirchlichen Heimen auf. Wie in Westdeutschland war der Alltag auch in den DDR-Heimen häufig von Gewalt bestimmt. Es kam zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch. Für viele Männer und Frauen war May der Erste, dem sie nach Jahrzehnten ihre schlimmen Erlebnisse in Heimen und "Jugendwerkhöfen" anvertrauten.



Nach den Worten Mays wäre es "eine himmelschreiende Ungerechtigkeit" gewesen, wenn die Einrichtung eines solchen Fonds für ehemalige DDR-Heimkinder gescheitet wäre. Im vergangenen Juli beschloss der Bundestag zunächst einen Fonds für die Betroffenen in den alten Bundesländern. Zugleich stellte er aber auch ein Pendant für Ostdeutschland in Aussicht. "Das war der Durchbruch", so May.



Die Initiative dazu kam nicht zuletzt aus Thüringen. Dort konstituierte sich bereits vor rund zwei Jahren auf Bestreben der Sozialministerin des Freistaats, Heike Taubert (SPD), ein Runder Tisch für Missbrauchsopfer in DDR-Einrichtungen, an dem sich auch die Kirchen beteiligen und May als Vertreter der Anlaufstelle für DDR-Heimkinder sitzt. Er forcierte Forderungen, dass bei eine Entschädigung auch Betroffene aus dem SED-Staat berücksichtigt werden müssen.



Ausbau der Anlauf- und Beratungsstelle

Bei der ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann (SPD), stieß das Gremium auf offene Ohren. Fortan setzte auch sie sich für die Belange dieser Opfergruppe ein und forderte etwa beim Dresdner Evangelischen Kirchentag im vergangenen Jahr, den Missbrauch in DDR-Heimen gesondert aufzuarbeiten.



Ab Juli sollen nun auch die ostdeutschen Betroffenen Anträge stellen können. Die 40 Millionen Euro des Fonds sollen je zur Hälfte die neuen Bundesländer und der Bund aufbringen. Mit den Entschädigungen sollen unter anderem medizinische und pflegerische Leistungen finanziert werden. Dazu zählt auch die psychologische Betreuung bei andauernder Traumatisierung. Da viele der rund 500.000 DDR-Heiminsassen auch zu schwerer körperlicher Arbeit genötigt wurden, können sie voraussichtlich auch dafür Einmalzahlungen erhalten.



Bei der Aufarbeitung will Thüringen auch in Zukunft eine Vorreiterrolle spielen, wie Sozialministerin Taubert versicherte. Sie kündigte einen weiteren Ausbau der Anlauf- und Beratungsstelle in Suhl an.