Das Oberste US-Gericht entscheidet über die Gesundheitsreform von Barack Obama

Auf dem Prüfstand

Heftige Grabenkämpfe haben sich die Amerikaner über die Gesundheitsreform von Barack Obama geliefert. Von heute an soll das Oberste US-Gericht entscheiden, ob das wichtigste sozialpolitische Projekt des Präsidenten verfassungskonform ist.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Das ist der Augenblick, auf den erbitterte Gegner von Präsident Barack Obamas Gesundheitsreform gewartet haben: In dieser Woche prüft der Oberste US-Gerichtshof, ob das "Gesetz für Patientenschutz und bezahlbare Gesundheitsversorgung" mit der Verfassung vereinbar ist. Die neun höchsten Richter der Nation haben sechs Stunden für die mündliche Verhandlung anberaumt, verteilt auf Montag, Dienstag und Mittwoch. Normalerweise dauern mündliche Verhandlungen nur 60 Minuten.



Die von Obama im März 2010 unterzeichnete Gesundheitsreform gilt als wichtigstes sozialpolitisches Projekt des Präsidenten. Dem Gesetz zufolge müssen künftig alle Bürger eine Krankenversicherung abschließen - andernfalls wird eine Geldstrafe fällig. Niedrigverdienern hilft der Staat, die Versicherungskosten zu bezahlen. Und Versicherungsfirmen dürfen Kranke nicht länger diskriminieren.



"Obamacare"

Die Reform tritt bis zum Jahr 2020 schrittweise in Kraft; die allgemeine Versicherungspflicht gilt ab Januar 2014. Das Vorhaben soll vor allem jenen 50 Millionen US-Amerikanern zugute kommen, die bislang keine Krankenversicherung haben.



Über keine Maßnahme des demokratischen Präsidenten haben sich republikanische Kritiker so ereifert wie über "Obamacare". Gegner sprachen von drohendem Sozialismus. Die Reform werde Grundrechte auf "noch gar nicht absehbare Weise" beschneiden, warnte der konservative Think Tank "Heritage Foundation". Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Rick Santorum schimpft in seinen Reden über "Bürokraten in Washington", die das Volk mit ihrer Gesundheitspolitik bevormundeten.  



Santorum und seine drei republikanischen Rivalen Mitt Romney, Newt Gingrich und Ron Paul wollen im Fall eines Sieges bei der nächsten Präsidentenwahl die Reform kippen, sollte der Gerichtshof nicht in ihrem Sinne entscheiden. Er werde dies bereits am "ersten Tag im Amt" tun, versprach Santorum.



Das Oberste Gericht soll Widersprüche klären

Im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung steht die Auffassung der Reformgegner, der Kongress habe seine Vollmachten überschritten. Laut US-Verfassung regelt der Kongress den nationalen Wirtschaftsverkehr zwischen den Bundesstaaten. Nach Ansicht der Gesetzesautoren ist das Abschließen von Krankenversicherung Beispiel einer wirtschaftlichen Aktivität, die sich über die Grenzen einzelner Bundesstaaten erstreckt, und daher vom Kongress reguliert werden darf. Die Gesetzesgegner sagen dagegen, die Verfassung gebe dem Kongress nicht die Macht, Bürger zum Kauf von Versicherungspolicen zu zwingen.



Auf Zivilklagen der Regierungen von 26 Bundesstaaten hin haben sich bereits mehrere untergeordnete Gerichte mit der Verfassungsmäßigkeit der Gesundheitsreform befasst. Die Richter kamen zu unterschiedlichen Urteilen. Das Oberste Gericht soll die Widersprüche klären. Das Verfassungsurteil wird im Juni erwartet, gerade dann, wenn der Präsidentschaftswahlkampf auf die heiße Phase zusteuert.



Trotz des öffentlichen Interesses hat das Oberste Gericht Petitionen abgelehnt, die mündlichen Verhandlungen in der kommenden Woche live zu übertragen. Audioaufnahmen und Protokolle sollen aber wenige Stunden nach den Verhandlungen freigegeben werden.