Jesuiten: Bundesregierung muss auf UN-Flüchtlingsbericht reagieren

Frage der Verantwortung

Mehr als 43 Millionen Menschen sind zurzeit auf der Flucht - und laut UN werden es in den nächsten Jahren noch mehr. Pater Martin Stark vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst im domradio.de-Interview über Ursachen der Krise und mögliche Hilfe.

 (DR)

domradio.de: Woher kommt der Anstieg der Flüchtlingszahlen?

Stark: Die zunehmenden Klimaprobleme weltweit führen zu Phänomenen wie Wasserknappheit und knapper oder ganz ausfallenden Ernten. Deshalb müssen sich Menschen auf den Weg machen für ein besseres Leben.



domradio.de: Was bedeutet das für Deutschland?

Stark: Das ist ja das Erstaunlich: Es betrifft Deutschland nicht. Die meisten Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern. Schauen wir beispielsweise zum Horn von Afrika, nach Somalia, ein aktueller Brennpunkt: Da fliegen die Menschen vor allen Dingen in die Nachbarländer. Alleine im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia sind mehr Menschen untergebracht, als in der ganzen Europäischen Union Schutzsuchende unterwegs sind. Wir in Deutschland hören zwar von den steigenden Zahlen, die Medien suggerieren eine Welle von Flüchtlingen - aber die konkreten Zahlen sehen dann doch noch mal ganz anders aus.



domradio.de: Sie erwarten für Europa also keine weiter ansteigenden Flüchtlingsströme?

Stark: Wir verzeichnen einen Anstieg, aber auf niedrigem Niveau. Im Vergleich zu den weltweiten Zahlen ist das gar nichts. Gerade deswegen müssen wir uns unserer Verantwortung stellen. Es gibt ja die vom UNHCR identifizierten Flüchtlinge, Flüchtlinge in ausweglosen Situationen, für die die Vereinten Nationen Aufnahmeplätze suchen. Hier könnten Deutschland und Europa stärker Verantwortung übernehmen. Nicht nur in kleinen Zahlen im Rahmen eines Resettlement-Progamms.



domradio.de: Was außerdem wollen Sie der Bundesregierung empfehlen?

Stark: Das Wichtigste ist, die Fluchtursachen zu bekämpfen: Die Klimafrage muss konsequent angegangen werden, so dass die Menschen in ihren Heimatländern bleiben und sich dort ernähren können. Flüchtlinge aufzunehmen ist immer nur eine Nothilfe. Aber dazu müssten wir auch bereit sein.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.