domradio.de: Die österreichische Pfarrer-Initiative fordert offen den Ungehorsam gegenüber Rom. So weit wollen die Macher der deutsche Initiative "Kirche 2012: Den notwenigen Aufbruch wagen" nicht gehen. Wie ähnlich oder unähnlich sind sich beide Bewegungen?
Christiane Florin: Mir fallen zunächst die Unähnlichkeiten auf. Die österreichische Pfarrerinitiative hat ganz klar einen profilierten Anführer, das ist Helmut Schüller, der frühere Generalvikar Wiens. Sein "Gegenspieler", das ist vielleicht ein bisschen stark ausgedrückt, wenn man von Kardinal Schönborn spricht, aber sein jetziges "Gegenüber" ist sein früherer Vorgesetzter. Das ist schon einmal eine ziemlich interessante psychologische Konstellation und man hat eben dezidiert in Österreich von "Ungehorsam" gesprochen, man hat ganz bewusst dieses Reizwort verwendet. Und Ungehorsam hat, wenn es um Priester geht, die Gehorsam versprochen haben, eine andere Bedeutung, als wenn wir von Laien reden. Also da sehe ich die Unterschiede. Weniger Unterschiede sehe ich in dem, was gefordert wird. Auch Österreich hat Probleme mit Gemeindezusammenlegungen, da geht es um dieselben Reformthemen, die in Deutschland auch angesprochen werden.
domradio.de: Für die Leitung des Erzbistums Freiburg ist diese neue Initiative natürlich ein Problem, denn Priester versprechen Gehorsam gegenüber dem jeweiligen Bischof. Wie geht Erzbischof Zollitsch bislang mit den Unterzeichnern um?
Florin: Es gibt dieses Memorandum in Anklang an das Theologen-Memorandum des vergangenen Jahres, das steht im Internet. Das ist kein Aufruf zum Ungehorsam, sondern eher das Bekenntnis: Ich bin ungehorsam gewesen, indem ich zum Beispiel wiederverheirateten Geschiedenen die Sakramente gespendet habe. Erzbischof Zollitsch ist der Initiator des Dialogprozesses. Er hat in seiner Diözese speziell dazu aufgefordert, sich über die Reform der Kirche Gedanken zu machen und natürlich muss jemandem, der das fordert, klar sein, welche Forderungen kommen werden. Sein Generalvikar hat auf den Aufruf in Form eines Briefes an alle Pfarrer und Diakone reagiert, indem eben diejenigen, die noch nicht unterschrieben haben, gebeten werden, auch künftig nicht zu unterschreiben und die, die schon unterschrieben haben, gebeten werden, ihre Unterschrift zurückzuziehen.
domradio.de: Das "Netzwerk katholischer Priester" sieht die Pfarrer-Initiative aus Österreich sehr kritisch und warnt vor einer Spaltung der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. Wie groß schätzen Sie diese Gefahr ein?
Florin: Ich bin immer vorsichtig mit dem Wort Spaltung. Ich glaube, da wird jetzt auch eine Drohkulisse aufgebaut, weil Spaltung das Schreckbild in der katholischen Kirche ist. Ich finde nicht, dass man sofort solche Initiativen wie in Österreich oder wie jetzt in Freiburg regelrecht diffamieren sollte, indem man sagt, das führt zur Spaltung. Man muss erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass in einer solchen großen Organisation, die vor großen Problemen steht, Meinungsverschiedenheiten, Unklarheiten über den richtigen Kurs herrschen, dass das zunächst einmal etwas sehr Normales ist. Da muss man eben einen Weg finden, wie man das ohne Spaltung, aber vor allem auch ohne gegenseitige Diffamierung hinbekommt. Deshalb halte ich es für eine Drohkulisse. Einen gewissen Graben zwischen Laien und Episkopat, aber auch zwischen rechts und links, den gibt es ja ohnehin schon.
domradio.de: In Köln gibt es 10 Ruhestandsgeistliche, die offen die Pfarrerinitiative aus Österreich unterstützen. Das ist nicht viel mit Blick auf über 800 Priester, die es im Erzbistum gibt. Um meine Frage vom Anfang aufzugreifen: Erwarten Sie, dass die österreichische Initiative flächendeckend die deutschen Bistümer ergreift?
Florin: Nein, ich erwarte nicht, dass sie flächendeckend die deutschen Bistümer ergreift. Natürlich ist die Situation in Österreich eine andere als die in der deutschen Kirche, wir haben in Deutschland ein Zentralkomitee der deutschen Katholiken, wir haben in Deutschland immer wieder Versuche, das zu kanalisieren. Da ist die Lage in Österreich grundsätzlich anders, und das hat eben auch dazu geführt, dass man in Österreich zu diesem scharfen Wort "Ungehorsam" greift. Ich muss aber trotzdem sagen, dass es mich schon erstaunt, dass es in Köln überhaupt zehn Priester gibt, die da doch relativ offensiv diesen österreichischen Aufruf unterstützen, denn aus anderen Diözesen habe ich das so publik noch nicht gehört.
Das Interview führte Mathias Peter (domradio.de)
Eine Einschätzung zu Pfarrerinitiativen in Deutschland
Andere Voraussetzungen
Schwappt der österreichische Pfarreraufstand nach Deutschland über? Dieser Frage geht die aktuelle Zeit-Beilage "Christ und Welt" (C&W) nach. Nein, meint C&W-Redakteurin Christiane Florin im domradio.de-Interview. Die Situation in Österreich sei eine andere als in der deutschen Kirche. Hier gebe es beispielsweise ein ZdK und immer wieder Versuche, Unmut zu kanalisieren.
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