Vatikanbank startet Transparenzoffensive

Aus der düsteren Festung soll ein Glashaus werden

Es war eine kleine Revolution hinter den mächtigen Mauern des Sankt-Nikolaus-Turms im Vatikan: Jahrzehntelang drang hier, vom Sitz der Vatikanbank IOR, offiziell so gut wie nichts an die Außenwelt. Und nun lud das "Institut für die religiösen Werke" gleich 50 Journalisten auf einmal ein.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

IOR-Generaldirektor Paolo Cipriani tritt erstmals vor die Weltpresse. Mit unzähligen Fakten, Zahlen und Abkürzungen versucht der Mann, der das operative Geschäft der Vatikanbank leitet, alle Zweifel an der Seriosität seines Hauses zu beseitigen. Innerhalb von gut einer Stunde gibt Cipriani mehr Informationen über das IOR preis, als das Geldinstitut in den vergangenen 20 Jahren offiziell mitgeteilt hat. Rund 33.000 Konten mit etwa sechs Milliarden Euro Einlagen verwaltet das IOR demnach gegenwärtig. Der weitaus größte Teil des Geldes, rund 77 Prozent, stamme aus Europa; aus dem Vatikan kämen 7 Prozent. Rund die Hälfte sei in Wertpapieren angelegt. Spekulative Geschäfte meide sein Haus aber, sagt Cipriani.



Bislang war die Vatikanbank ein weitgehend unbekanntes Wesen. Bilanzen wurden nicht veröffentlicht. Lediglich eine Zahl gab der Vatikan zuletzt jedes Jahr offiziell bekannt: die Summe, die das IOR jährlich dem Papst für mildtätige Zwecke zur Verfügung stellt. 2010 waren das 55 Millionen Euro.



"Gute Presse" ist nötig

Ganz unerwartet kam die neue Charme-Offensive gegenüber der Öffentlichkeit nicht. Die Vatikanbank braucht dringend eine "gute Presse". Immer wieder berichteten italienische Medien zuletzt von dubiosen Geschäften und zwielichtigen Kontoinhabern. Im September 2010 sperrte die italienische Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Geldwäsche vorübergehend Konten des IOR mit 23 Millionen Euro. Noch größer wurde der Imageschaden durch die spektakuläre Entlassung des renommierten Aufsichtsratsvorsitzenden Ettore Gotti Tedeschi Ende Mai.



In der Vatikanbank herrscht an diesem Vormittag eine je nach Sichtweise himmlisch anmutende Ruhe. In einem großen Kuppelsaal im zweiten Stockwerk befinden sich sieben Schalter. Adrett gekleidete Frauen und Männer warten hier auf Kundschaft - doch von der ist gerade nichts zu sehen. Die Öffnungszeiten sind werktags von 8.00 bis 13.00 Uhr und von 14.35 bis 16.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 12.00 Uhr. Überwacht werden die Schalter von knapp 20 Kameras. Eine Etage tiefer steht ein Geldautomat; eine Anzeige gibt es auch auf Latein.



Benedikt XVI. ohne Konto

Und die ominösen Nummernkonten, die Mafiosi und korrupten Politikern angeblich erlauben, sich hinter einer anonymen Zahlenfolge zu verbergen? "Es gibt keine Nummerkonten", sagt Cipriani. Ein Konto eröffnen dürfen nach seinen Angaben nur Institutionen und Angestellte des Heiligen Stuhls oder des Vatikanstaates, Orden, fromme Stiftungen sowie einzelne Ordensleute oder Priester, die hierzu von ihren Vorgesetzten autorisiert wurden. Auch eine Kapitalflucht hat es vor Inkrafttreten des vatikanischen Anti-Geldwäsche-Gesetzes am 1. April 2011 laut Cipriani nicht gegeben.



Journalisten den Schalterraum zu zeigen und ihnen das IOR zu erklären, ist eine Sache. Anti-Geldwäsche-Experten zu überzeugen, eine andere. In der kommenden Woche gibt der Europaratsausschuss "Moneyval" interne Empfehlungen darüber, ob der Heilige Stuhl und der Vatikanstaat künftig zu den Ländern mit international anerkannten Anti-Geldwäsche-Standards zählen soll. Der Prüfungsbericht der Moneyval-Fachleute ist bislang geheim. Einem italienischen Zeitungsbericht zufolge soll er jedoch schwerwiegende Beanstandungen enthalten.



Am Ende seines bisweilen nur für Fachleute verständlichen Vortrags legt Cipriani ein weißes T-Shirt über das holzvertäfelte Rednerpult. Es soll seine Botschaft offenbar zusammenfassen. "Ich bin ein Anti-Geldwäsche-Experte", steht auf der Vorderseite auf Englisch. Zu sehen ist ein durchgestrichener Wasserbottich. Benedikt XVI. hat kein Konto bei "seiner" Bank.