Auch der Schwarze Kontinent bekommt Europas Nöte zu spüren

Afrika und seine Eurokrise

Die Rezension auf dem europäischen Kontinent machte sich auch in Afrika bemerkbar: Die EU schafft sich eine Reserve, um für das Schlimmste gewappnet zu sein, die Staaten kürzen ihre Budgets für Entwicklungshilfe - Gelder, die in Übersee täglich Leben retten.

Autor/in:
Markus Schönherr
 (DR)

Der jetzt erschienene DATA-Bericht 2012 der Entwicklungsorganisation ONE evaluiert die weltweite Entwicklungszusammenarbeit und fasst daraus einen Trend zusammen. 2010 und 2011 ging demnach die Entwicklungshilfe der Eurostaaten zurück - was unmittelbar auf den kränkelnde Euro zurückzuführen sei. Global gesehen könnte dieser Schritt nach hinten losgehen. ONE sieht vor allem die Millenniums-Entwicklungsziele in Gefahr, deren Frist 2015 abläuft.



Diese Ziele wurden zum Jahrtausendwechsel von den Vereinten Nationen verabschiedet und sehen unter anderem vor, den Hunger in der Welt zu halbieren, Grundschulbildung für alle Kinder zu bieten und Massenkrankheiten einzudämmen. "Gerade in Afrika geht es nicht so schnell, wie wir das zur Erreichung der meisten dieser Ziele bräuchten", erklärt der deutsche Leiter von ONE, Tobias Kahler, auf Anfrage.



Erinnerung an die Millenniums-Entwicklungsziele

Der Report erinnert die EU-Staaten warnend an das Versprechen, das sie Afrika 2005 gegeben haben. Nach dem Beschluss der Millenniums-Entwicklungsziele setzten sie sich das Ziel, bis 2015 mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe zu investieren. Die Hälfte davon sollte an Afrika gehen.



Mit beiden Zielen hinkt die EU hinterher. Bislang konnten erst sieben Staaten diese Grenze erreichen: Luxemburg, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Großbritannien, Zypern und Finnland. Auch das krisengeschüttelte Irland ist erstaunlicherweise unter den besten acht Gebern. Der britische Sender BBC spielt auf einen möglichen Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft an: Während in diesem Jahr die großen Spender Dänemark und Zypern den Vorsitz haben, folgt Irland 2013.



Bei Europas übrigen potenziellen Pleitestaaten hingegen zeigt sich die Realität der Eurokrise. Spanien reduzierte sein Entwicklungsbudget 2011 um 30 Prozent, Griechenland um 40 Prozent. Kahler dazu: "Natürlich müssen wir die Eurokrise sehr ernst nehmen - und auch mögliche Sorgen der Bevölkerung in Europa. Unsere Solidarität mit einzelnen EU-Krisenstaaten setzt Deutschlands Versprechen an die ärmsten Menschen in der Welt aber auch ins Verhältnis." Binnen weniger Tage habe Deutschland das rund Zwanzigfache für Griechenland locker gemacht, als es Afrika für zehn Jahre zugesagt hat - auch wenn die Instrumente natürlich nicht direkt vergleichbar seien.



Qualität statt Quantität

Deutschland hat sein Zwischenziel für 2010 verfehlt und liegt derzeit bei 0,39 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, also bei rund der Hälfte des Zugesagten. Da nur noch zweieinhalb Jahre für die Millenniums-Entwicklungsziele bleiben, hatte Berlin versprochen, die Hilfe anzuheben. Doch selbst von der angekündigten Steigerung konnte erst ein Viertel realisiert werden. Österreich bewegt sich zwischen den angeschlagenen EM-Finalisten Spanien und Italien: Mit erreichten 0,25 Prozent des Staatseinkommens wird es fast unmöglich, das gemeinsam verkündete Entwicklungsziel noch einzuholen.



Der Trend in der Entwicklungshilfe ist laut dem Bericht von ONE eindeutig: Qualität statt Quantität. Da die Entwicklungshilfe aus dem Norden nur einen Bruchteil der afrikanischen Haushalte ausmache, müssten die Staaten diese Unterstützung gezielter einsetzen, vor allem in Projekten zum Aufbau der eigenen Wirtschaft und zur Selbstverwaltung. Die afrikanische Wirtschaft zählt zu den schnellstwachsenden der Welt. Nicht nur deshalb wünschen sich die entwickelten Staaten einen raschen Abschied von der Geber-Nehmer-Beziehung. Die Hoffnung ist groß, dass am Ende eine gleichberechtigte Zusammenarbeit steht.