Tschechiens Sozialdemokraten starten Kampagne gegen Restitution

Die Kirchen als neuer Klassenfeind

Anfang des Jahres stimmte Tschechiens Regierung einem Kompromiss zum Vermögensausgleich mit den Kirchen zu. Vorausgegangen war ein jahrelanges Tauziehen. Nun machen die oppositionellen Sozialdemokraten Front gegen den Beschluss. Denn es geht um Milliardenbeträge.

Autor/in:
Hans-Jörg Schmidt
Legendär: "Fingerhakeln" um Veitsdom (DR)
Legendär: "Fingerhakeln" um Veitsdom / ( DR )

Zwei Hände sind auf dem Plakat dargestellt. Die eine schaut aus der Soutane eines kirchlichen Würdenträgers heraus, die andere aus dem blauen Anzug eines bürgerlichen Prager Regierungspolitikers. Letzterer reicht dem Geistlichen einen prall gefüllten Geldsack. Der Text dazu lautet: "134 Milliarden Kronen (Tageskurs 5,2 Milliarden Euro, d. Red.) wollen ODS und TOP 09 der Kirche schenken." ODS und TOP 09 - das sind die beiden wichtigsten Regierungsparteien des Landes.



Bei dem Protest geht es um die Rückgabe des unter kommunistischem Regime geraubten Eigentums der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Die Sozialdemokraten sind strikt gegen ein entsprechendes Gesetz, das bereits das Abgeordnetenhaus passiert hat und demnächst vom Senat begutachtet werden soll. Die Oppositionspartei weiß die Mehrheit der Bürger hinter sich. Tschechien ist eines der am stärksten säkularisierten Länder Europas; das Unrechtsbewusstsein vieler Tschechen gegenüber der Kirche tendiert gegen Null. Das hat auch historische Gründe: Die einstige Macht der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern ist an die Herrschaft der Habsburger geknüpft. Die 300 Jahre unter Wien gelten in der offiziellen tschechischen Geschichtsschreibung als die Zeit der "Finsternis".



Es geht um Milliarden

Tschechien ist das letzte Land in Europa, in dem ein Ausgleich zwischen Staat und Kirche immer noch aussteht. Zwar wurde die Regierung nach der "Samtenen Revolution" von 1989 verpflichtet, sich mit der Kirche über die Rückgabe des Eigentums zu einigen. Es bedurfte allerdings jahrzehntelanger Verhandlungen, um einen Kompromiss zu finden: Nach dem Willen der Mitte-Rechts-Regierung sollen die Kirchen nun mit umgerechnet 2,3 Milliarden Euro und Immobilien im Schätzwert von 2,9 Milliarden Euro entschädigt werden. Im Gegenzug will sich der Staat aus der Bezahlung der Priester zurückziehen; es käme zu einer strikten Trennung von Kirche und Staat.



Für die Linke in Prag ein viel zu hoher Preis. Der Wortführer der CSSD in dieser Sache, Parteivize Lubomir Zaoralek, äußerte die Sorge, dass "ein riesiges Paket an Geld und Immobilien de facto in die Hände einiger schwer identifizierbarer Personen" falle. Die Wortwahl erinnert fatal an die Zeit, als in Prag über die Rückgabe des Jüdischen Museums an die Jüdische Gemeinde gestritten wurde. Damals äußerten Politiker die Angst, dass "Schacher-Juden" den Museumsbestand kurzerhand zu Geld machen könnten.



Bischof liest Linken Leviten

Der neue "Klassenfeind" - wie empörte Kirchenvertreter äußerten - sei die katholische Kirche, die größte unter den kleinen Glaubensgemeinschaften in Tschechien. Sie hat sich unbeliebt gemacht, weil sie über viele Jahre vor Gericht mit der Präsidentenkanzlei über die Rückgabe des enteigneten Prager Veitsdoms stritt. Linke Propagandisten erklärten seinerzeit, es gehe nicht an, diesen "Schatz der ganzen Nation" den Katholiken in den Rachen zu werfen. Der Prager Kardinal Miloslav Vlk stand in seinem Kampf immer wieder auf verlorenem Posten. Vlks Nachfolger seit 2010, Dominik Duka, hat den Vorteil, mit Staatspräsident Vaclav Klaus befreundet zu sein.



Duka nutzte dies, um der CSSD die Leviten zu lesen: Er verglich die Plakate gegen die Eigentumsrückgabe mit Propaganda der NS-Zeit und der Ära der kommunistischen Herrschaft. Ein solches Vorgehen sei nicht nur "unkultiviert", sondern eine "Gefahr für die Demokratie". Die CSSD appelliere an die niedrigsten Instinkte - den Neid und den Hass auf die Christen.



Die Krux für die CSSD ist aber noch eine andere: Mit der Eigentumsrückgabe klären sich viele bislang ungelöste Fragen über zahllose Grundstücke, die den Ausbau der Infrastruktur und die Ansiedlung von Investoren blockieren. Damit haben auch viele sozialdemokratischen Bürgermeister zu kämpfen, die händeringend nach einer Lösung rufen. Aus deren Sicht ist der Widerstand der Parteiführung gegen die Kirchenrestitution völlig kontraproduktiv.