Verstorbene aus der Anonymisierung herausholen
Mit der neuen Urnengrabstätte reagiere das Domkapitel auch darauf, dass in Hamburg wie auch in anderen Großstädten 70 Prozent der Verstorbenen eine Feuerbestattung erfahren, sagte der Erzbischof am Mittwochabend zum Fest Mariä Himmelfahrt im voll besetzten Dom. "Wir holen auf diese Weise unsere Toten vom Rande der Stadt wieder ins Zentrum." Außerdem werde ein Zeichen gesetzt gegen die bundesweit rund 20 Prozent anonymen Bestattungen, die "gar nicht so christlich" seien, sagte Thissen. "Wir holen die Verstorbenen aus der Anonymisierung heraus, und sie haben einen Namen." Dazu passt das Zitat aus dem Lukasevangelium, das an der Wand des 110 Quadratmeter großen Raums steht: "Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind."
Die Decke der Urnengrabstätte nach dem Entwurf des Münsteraner Architekten Tobias Klodwig ist golden gestrichen, in Anlehnung an das goldene Apsismosaik im Chorraum, das die Aufnahme Marias in den Himmel zeigt. Die bronzenen Urnengrabplatten sind versetzt angeordnet, so dass der Eindruck von Gleichförmigkeit vermieden ist.
Die niedrige Krypta wirkt auch dank der warmen Farbgebung und indirekter Beleuchtung nicht bedrückend, sondern lädt zum Innehalten ein. Ein Treppenlift sorgt für barrierefreien Zugang. Die Liegezeit der Urnen beträgt 20 Jahre, kann aber um zehn Jahre verlängert werden. Danach werden die Aschekapseln auf dem Friedhof neben dem 1893 erbauten Dom beigesetzt. Eine Urnengrabstätte kostet rund 3.500 Euro. Über die Baukosten wollte das Erzbistum Hamburg keine Angaben machen. Durch den Urnenfriedhof im früheren Kohlenkeller der Kathedrale soll auch ein Teil der 2008 abgeschlossenen, rund 7,8 Millionen Euro teuren Domsanierung finanziert werden.
Kirche erlaubt Feuerbestattung ausdrücklich
Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre es wohl kaum vorstellbar gewesen, dass die katholische Kirche die Feuerbestattung geradezu fördert. Aber heute, betonte Thissen in seiner Predigt, sei sie Katholiken ausdrücklich erlaubt. Die Zeiten, als die Urnenbeisetzung "als Kampfmittel gegen die Kirchen, als faktische Leugnung von Auferstehung und ewigem Leben" eingesetzt wurde, seien vorbei, zerstreute Thissen mögliche Zweifel.
Mit dem neuen Kolumbarium setzt sich ein Trend fort, den die Jenaer Kulturwissenschaftlerin Barbara Happe schon länger beobachtet. Seit 2006 sei es regelrecht "in Mode gekommen", vor allem in katholischen Kirchen Urnengräber einzurichten, sagte sie am Mittwoch auf Deutschlandradio Kultur. Damit würden auch Kirchen, die nicht mehr als Gottesdienststätte gebraucht werden, vor dem Abriss bewahrt. So eröffnete das Bistum Hildesheim Anfang 2010 in der früheren Herz-Jesu-Kirche in Hannover-Misburg ein Kolumbarium, wenige Monate später widmete das Bistum Osnabrück die Kirche Heilige Familie in Osnabrück zur Grabstätte für 850 Urnen um; eine Erweiterung auf 1.200 Urnenplätze ist geplant, 230 Urnenplätze sind inzwischen vergeben. Ebenso wird derzeit in der katholischen Kirche Sankt Thomas in Hamburg-Stellingen eine Urnengrabstätte eingerichtet. Bundesweit gibt es laut Barbara Happe rund 20 Urnenkirchen.
Für das Dom-Kolumbarium haben sich laut Bistumsangaben bislang etwa 100 Interessenten gemeldet. Nach dem Gottesdienst, an dessen Ende der Erzbischof mit dem gesamten Domkapitel den Raum in der Krypta segnete, strömten zahlreiche Besucher hinunter, machten Fotos, bestaunten und befühlten die verwendeten Materialien. "1.560 Urnen werden hier untergebracht, um auf die Ewigkeit zu harren", hatte Dompropst Nestor Kuckhoff bei der kurzen Segensfeier gesagt. - Ein Hamburger Novum für die Ewigkeit.
Erzbischof Thissen weiht Urnengrabstätte im Marien-Dom
Hamburger Novum für die Ewigkeit
Die Bestattungssitten der Deutschen verändern sich massiv. Dem trägt jetzt auch Deutschlands flächenmäßig größtes katholisches Bistum Rechnung: Die Kathedrale des Erzbistums Hamburg, der St. Marien-Dom, beherbergt als bundesweit erste Bischofskirche eine Urnengrabstätte. Erzbischof Werner Thissen weihte das Kolumbarium. Es bietet in der Krypta Raum für 1.560 Urnen.
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