Olympiapfarrer erinnert sich an die Spiele 1972

Heiter bis fast nicht zu ertragen

Vor 40 Jahren begannen in München die letzten Olympischen Spiele in Deutschland. Heinz Summerer begleitete damals das Sportfest als Pfarrer. Im Interview blickt er zurück auf die Tage zwischen Triumph und Tragödie.

 (DR)

KNA: Herr Pfarrer Summerer, Sie haben die Olympischen Spiele in München vor 40 Jahren hautnah miterlebt. Was war das schönste für Sie?

Summerer: Man kann nur schwer sagen, das war das Schönste. Ich glaube, das, was die Olympischen Spiele 1972 ausgezeichnet hat, war die Heiterkeit. Eine grundsätzliche Offenheit, die die Menschen mitgebracht haben.



KNA: Was macht ein Olympiapfarrer eigentlich?

Summerer: Es ist ein Unterschied, ob er als Hausherr die anderen Länder und Nationen empfängt oder ob er mit den Mannschaften mitfährt. Das habe ich sieben Mal gemacht, vor allem bei den Winterspielen. In München habe ich koordiniert. Ich war für die kirchlichen Dienste zuständig, hatte 30 Kollegen verschiedenster Konfessionen und Sprachen. Und dann hatten wir noch eigens Räume, etwa für islamische Gebetsstunden. Aber auch für die israelische Gemeinde sowie für Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirche war Platz. Bei den Bauten ab 1970 war ich schon mit dabei.



KNA: Was hatte es mit dem ökumenischen Zentrum auf sich? Das war ja bayernweit etwas Neues.

Summerer: Bei der Grundsteinlegung begann die Ökumene bereits. Der Münchner Kardinal Julius Döpfner und der bayerische evangelische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger haben ihn am 16. September 1970 gelegt. Er liegt mitten auf der Grenze und hält uns noch immer zusammen. In den Kommunikationsraum etwa kommen Katholiken und Protestanten nach wie vor am Sonntag zum gemeinsamen Frühschoppen. Die beiden Kirchen sind wirklich unter einem Dach.



KNA: Was war das Besondere an der Idee, zwei Kirchen unter einem Dach zu bauen?

Summerer: Überhaupt die Zusammenarbeit. Schon in der Vorbereitung sind nicht immer beide Pfarrer zu den Terminen gegangen, sondern haben sich vertreten. Dieses Miteinander sollte ein Zeichen setzen.



KNA: Gab es Vorbehalte gegen das Zentrum?

Summerer: Ja sicher gab es die. Ich bekam sie vielleicht nicht alle zu hören. Aber da gab es schon die Angst, dass sich die beiden Kirchen vielleicht zu nah kommen könnten.



KNA: Was war 1972 im Ökumenischen Zentrum los?

Summerer: Wir haben Kirchenkonzerte für die Sportler gemacht. Außerdem war das Zentrum als Cafe und Spielstätte geöffnet. Die Leute sind zum Gottesdienst gegangen. Manchmal kamen Sportler mit Sorgen zu uns - vor allem nach dem Attentat.



KNA: Wie haben Sie das Attentat erlebt?

Summerer: Um halb sechs klingelte mein Wecker. Es kamen sofort die Nachrichten. Ich bin fast aus dem Bett gefallen. Es war ja vorher überhaupt nicht an so was zu denken. Ich habe dann telefoniert, gefragt, ob ich etwas machen kann. Ich war ja nur 100 Meter entfernt. Es stellte sich recht schnell heraus, dass die Geiselnehmer nur mit einer Person verhandelten. Das ging den ganzen Tag über. Man wusste nicht: Können wir was tun oder nicht? Die palästinensischen Terroristen haben ja die ganze Wohnung mit den israelischen Sportlern abgeriegelt. Und dann nahm die Tragödie in Fürstenfeldbruck beim Befreiungsversuch ihren Lauf.



KNA: Wie ging es im Olympischen Dorf weiter?

Summerer: Die Stimmung änderte sich vom Heiteren bis zum fast nicht mehr Ertragbaren. Man ist da herumgeschlichen. Wenn die Sportler mit ihren Wettkämpfen fertig waren, sind sie sofort weggefahren.



KNA: Und wie ging es im Ökumenischen Zentrum weiter?

Summerer: Das war schon nach dem Attentat und noch während der Spiele. Plötzlich stand ein australischer Wasserballspieler bei uns im Sekretariat. Er hatte seine Freundin dabei, auch seine Mutter, und die Schwiegermutter. Er wollte heiraten. Mit den Genehmigungen war es nicht ganz leicht, aber wir haben es geschafft. Und das war noch ein schöner Höhepunkt, der zeigte: Es geht auch anders. Wir müssen trotzdem schauen, dass es weiter geht.



Das Gespräch führte Veronika Wawatschek.