Die Republikaner stehen zu Romneys Glauben

Mormonentum im Scheinwerferlicht

Noch vor wenigen Monaten hatten politische Beobachter in den USA prophezeit, dass einer der republikanischen Präsidentschaftskandidaten ein großes Handicap beim Parteivolk habe: Mitt Romney ist Mormone, für das konservative Lager eher Sekte als Kirche. Inzwischen spricht davon niemand mehr.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Das alles in den Schatten stellende Ziel, Barack Obama aus dem Weißen Haus zu jagen, hat bei der Republikanischen Partei, ihren Sponsoren und den geneigten Medien zu einem erstaunlichen Wandel geführt. Wenn am Montag der Republikanische Wahlparteitag in Tampa im Bundesstaat Florida eröffnet wird, präsentiert die ausgefeilte Dramaturgie den Mormonen Romney als Prototyp eines modernen Christen. Ein Angehöriger der Mormonenkirche wird vor den mehr als 2.200 Delegierten eine Andacht halten - ein absolutes Novum in der politischen Kultur der USA.



Die Darstellung Romneys als im christlichen Glauben gefestigt ist zu einem unverzichtbaren Teil des politischen Kalküls der Republikaner geworden. Um die Wahl zu gewinnen, wird als essenziell eingeschätzt, den rechten Teil des politischen Spektrum restlos zu mobilisieren. Die Gewinnung der Wähler der politischen Mitte wird dem untergeordnet. Ob es solche vermeintlich Unentschlossenen wirklich in großer Zahl gibt, wird angesichts einer stark polarisierten politischen Landschaft zunehmend bezweifelt.



Romney gestattet Einblick in die eigene Glaubenswelt

Die Entscheidung für Paul Ryan als Vizepräsidentschaftskandidaten zielt in diese Richtung. Mit einer solchen Nummer Zwei - Ryan wird von den Demokraten als Verfechter eines sozialen Kahlschlags porträtiert - tritt das Motiv christlicher Barmherzigkeit und Solidarität mit den Schwachen in den Hintergrund. Stattdessen rückt das angeblich angelsächsisch-protestantische Ethos nach vorne, dass es gottgefällig sei, im Geschäftsleben steinreich zu werden - und dass diese Prosperität ein Zeichen der Gnade Gottes sei.



Solch ein christliches Weltbild hat in dem rund 250 Millionen Dollar "schweren" Mitt Romney zweifellos den idealen Kandidaten gefunden. Romney sei dieser Maxime gefolgt und habe Millionen für wohltätige Zwecke gespendet, betont sein Wahlkampfteam gern. Es waren indes großzügige Spenden, die - nach allem, was bekannt ist - fast ausschließlich an die eigene, missionarisch aktive Kirche gingen.



Neu ist noch etwas anderes: Eine Woche vor dem Parteitag hat Romney der Öffentlichkeit erstmals einen Einblick in seine Glaubenswelt gestattet und eine Gruppe von Reportern mit zum sonntäglichen Gottesdienst im Mormonentempel von Wolfeboro im Staat New Hampshire genommen. Die Beschreibung dieses Gottesdienstes in den Medien verdeutlichte, dass ein Sonntagvormittag mit Andacht, Predigt und Gemeindegesang sich nicht allzu stark von einer katholische Messe oder einem Gottesdienst bei Baptisten oder Presbyterianern unterscheidet.



Nach einer neuen Umfrage ist 19 Prozent der Wähler das Mormonentum Romneys unangenehm: ein wesentlich kleinerer Prozentsatz als in jüngerer Vergangenheit. Romney stellt in seinen TV-Spots sein Christentum, nicht seine eigentliche Gemeinde heraus; ein neuer Werbestreifen zeigt Fotos von Papst Johannes Paul II. Die Mormonen neigen stark zur Republikanischen Partei; 74 Prozent bekennen sich zu den Republikanern und 17 Prozent zu den Demokraten. Es gibt aber auch Abweichler: Beim Parteitag der Demokraten in Charlotte plant für den 4. September eine Gruppe, die sich LDS Dems nennt (Latter Day Saints ist der offizielle Name der Mormonenkirche), eine Veranstaltung zugunsten von Präsident Barack Obama.