Vor fünfzig Jahren starb die "Resl" von Konnersreuth

Hysterie oder Wunder?

Das bayerische Konnersreuth begeht heute den 50. Todestag der Therese Neumann. Ihr Fall zählt zu den etwa 400 bekannten Fällen von Stigmata seit dem Mittelalter, bei denen jedoch Zweifel an der Echtheit der Wunden bestehen.

Autor/in:
Christian Feldmann
 (DR)

Pilger verwandeln das Grab der 1962 gestorbenen Therese Neumann auf dem Konnersreuther Dorffriedhof an der bayerisch-tschechischen Grenze bis heute in ein Blumenmeer. Seit die "Resl" 1926 zum ersten Mal visionär das Leiden Christi miterlebt und aus Wunden geblutet haben soll, scheiden sich an der Oberpfälzer Schneiderstochter die Geister.



Der damalige zuständige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller leitete 2005 den Seligsprechungsprozess für die Frau ein. Alles begann am 10. März 1918 mit einem Brand in Konnersreuth im kargen Oberpfälzer Stiftland. Es brannte im Nachbarhaus der "Resl", bei den Löscharbeiten zog sich die knapp zwanzigjährige Dienstmagd und Landarbeiterin eine Rückgratverletzung zu. Ein Nervenstrang war eingeklemmt. Danach war sie gelähmt und blind. Dass die "Resl" dann eines Tages plötzlich wieder sehen und laufen kann, schreibt sie einem Wunder zu.



In der Nacht zum 5. März 1926 fühlt sie sich zum ersten Mal visionär in den Garten Gethsemane versetzt, wo sie Christus mit der eigenen Todesangst ringen sieht. "Der Heiland hat mich gut angeschaut", erinnert sie sich. Im selben Moment spürt sie stechende Herzschmerzen, heißes Blut tritt ihr aus den Poren.



Geißelungswunden und die Nägelmale an Händen und Füßen

Später empfängt sie die Geißelungswunden und die Nägelmale an Händen und Füßen. Von da an erlebt sie fast jeden Freitag, insgesamt rund 700 Mal, das ganze Leiden Christi mit. Ströme von Blut dringen aus ihren Augenhöhlen, fließen aus neun großen Kopfwunden - die an die Dornenkrone erinnern - sowie aus der handtellergroßen Schulterwunde, die vom Kreuz herrührt.



Durch das Auftreten der Wundmale Christi wird sie bekannt. In den folgenden Jahren wird Konnersreuth zu einer Stätte echten Glaubens und intensiver Begegnung mit dem Gekreuzigten, aber auch zu einem Jahrmarkt der Sensationslust. Fromme Pilger, misstrauische Skeptiker und sensationslüsterne Touristen kommen zu Tausenden und defilierten in einem nicht enden wollenden Strom am Schmerzenslager der blutenden, stöhnenden, laut weinenden Therese Neumann vorbei.



Die meisten verlassen das Dorf verunsichert, erschüttert und nachdenklich. In der Volksfrömmigkeit hat die "Resl" bis heute ihren festen Platz. An der Echtheit der Wundmale hat kaum ein kritischer Mediziner gezweifelt. Bei der mikroskopischen Untersuchung von Abstrichen des ausgeschiedenen Blutes wurde einwandfrei festgestellt, dass es sich um menschliches Blut handelte. Ablehnende Fachleute verwiesen dagegen auf die ärztliche Diagnose, die Therese Neumann bereits als jungem Mädchen gestellt wurde: schwere Hysterie.



Seligsprechungsverfahren eingeleitet

Der Waldsassener Sanitätsrat Dr. Seidl hatte seiner erblindeten und gelähmten Patientin bereits 1919 "schwerste Hysterie" bescheinigt, um dem schwer geplagten Mädchen die Invaliditätsrente zu sichern. Außer der täglichen Kommunion soll sie zudem keine Lebensmittel zu sich genommen haben.



Im Seligsprechungsverfahren werden so mysteriöse Erscheinungen wie Blutungen, Nahrungslosigkeit und Visionen keineswegs die Hauptrolle spielen: Von rund 320 Stigmatisierten hat die römisch-katholische Kirche nur etwa 60 zur Ehre der Altäre erhoben. Frömmigkeit, Demut, Nächstenliebe sind für ein nach christlichem Maßstab geglücktes Leben erheblich wichtiger. Am Umgang der "Resl" mit den Mitmenschen, an ihrer Wahrheitsliebe und Bescheidenheit haben Augenzeugen jedoch massive Kritik geäußert.



Zu "Resls" Lebzeiten gingen der Regensburger Bischof Michael Buchberger (1874-1961) und der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952) auf Distanz zu Konnersreuth, weil sich die Familie Neumann hartnäckig weigerte, dem Wunsch des Vatikans nach einer mehrwöchigen Beobachtung in einem "weltlichen" Krankenhaus nachzukommen. Bischof Müller verkündete rund 40 Jahre nach ihrem Tod dennoch in der Konnersreuther Pfarrkirche die Einleitung des Seligsprechungsverfahrens.



Müller amtiert mittlerweile im Vatikan als Chef der Glaubensbehörde. In Regensburg sammeln eine historische und eine theologische Kommission Beweismaterial. Der eigentliche Prozess der Seligsprechung wird in Rom stattfinden. Wann das sein wird und ob es überhaupt dazu kommt, ist offen.