Bundesweite Demonstrationen gegen Anti-Islam-Film

Friedlicher Protest

In mehreren Städten haben Muslime am Freitag friedlich gegen das Anti-Islam-Video protestiert. Rund 850 Menschen versammelten sich am Nachmittag in Freiburg zu einer Demonstration gegen den in den USA produzierten Film, der aus Sicht vieler Muslime den Propheten Mohammed beleidigt. In Münster zählte die Polizei am Abend etwa 200 Demonstranten.

 (DR)

Die Demonstration in Freiburg sei "geordnet und friedlich" verlaufen, sagte ein Polizeisprecher. Auch aus Münster, Cuxhaven und Hannover wurden keine Zwischenfälle gemeldet. Sprecher der Kundgebungsteilnehmer in Münster betonten, die religiösen Gefühle Gläubiger dürften nicht beleidigt werden. Auf Plakaten der Demonstranten hieß es "Nein zu Gewalt", "Ja zu Toleranz und Dialog" und "Wir lieben unseren Propheten". Für Samstag sind in weiteren deutschen Städten Proteste geplant, darunter Dortmund und Karlsruhe.



Der Religionspädagoge Mouhanad Khorchide vom Zentrum für Islamische Theologie der Uni Münster sagte am Rande der Demonstration in Münster, wer sich von dem Video provozieren lasse, tue nur, was sich die Macher des Schmähvideos wünschten. "Solche Filme sollten Muslime einfach ignorieren", riet der Islamwissenschaftler. Nach seiner Überzeugung hätte der Prophet Mohammed die derzeitigen Proteste nie gebilligt. Mohammed sei zu seinen Lebzeiten oft geschmäht worden und habe gepredigt, Beleidigungen nicht zu beachten, sagte der islamische Theologe.



Nur ein Msulim in Hannover

In Hannover protestierte statt der erwarteten 40 Menschen nur ein einziger Muslim gegen den Film. Der 40-jährige Syrer, der die Kundgebung nach eigenen Angaben in privater Initiative angemeldet hatte, hielt vor rund einem Dutzend Fotografen und Kameraleute Schilder wie "Ich liebe Mohammed" in die Höhe. Nebenan protestierten rund zehn Syrer gegen die Gewalt in ihrem Heimatland. Der Prophet werde nicht im Kino, sondern in Syrien beleidigt, sagte ein Sprecher.



Unmittelbar vor Beginn der Demonstrationen rief die Bundesregierung zu Besonnenheit auf. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, in Deutschland lebten Menschen unterschiedlicher Religionen friedlich zusammen. Dass das so bleibe, dafür trügen alle Verantwortung. Gewalt sei kein Mittel der Auseinandersetzung. Bei Protesten in islamischen Ländern war es in den vergangenen Tagen zu teils schweren Ausschreitungen gekommen. Zahlreiche Menschen starben. Allein in Pakistan kamen am Freitag mindestens 14 Menschen ums Leben.



Fast drei Viertel der Deutschen sind einer Umfrage zufolge gegen eine Aufführung des umstrittenen Islam-Schmähvideos. Nach einer am Freitag veröffentlichten N24-Emnid-Erhebung sprechen sich nur 21 Prozent dafür aus, 72 Prozent dagegen.



Islamverbände forderten das Bundesinnenministerium auf, die umstrittene Kampagne gegen die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher zu beenden. Die Verschiebung der Plakataktion sei zwar zu begrüßen, reiche aber nicht aus, erklärte der Koordinationsrat der Muslime in Köln. Nicht von den Muslimen, sondern von der Kampagne gehe eine Gefahr aus, sagte der Sprecher des Koordinationsrates, Ali Kizilkaya: Sie stütze einen Generalverdacht gegenüber den Muslimen und störe damit den gesellschaftlichen Frieden.



Mit der Aktion soll für eine Beratungsstelle geworben werden, an die sich Angehörige und Freunde wenden können, wenn sie das Gefühl haben, ein Mensch in ihrem Umfeld gerate in die Fänge von Islamisten. Ende August wurde die Kampagne im Internet gestartet, unter anderem in sozialen Netzwerken. Seit Freitag sollten auch Plakate und Postkarten in Kneipen auf das Thema aufmerksam machen. Das Ministerium verschob diese Aktion jedoch und verwies auf eine aktuelle Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes.



Blutige Proteste in Pakistan

In Pakistan sind dagegen bei gewalttätigen Protesten gegen das islamfeindliche Mohammed-Video am Freitag mindestens 14 Menschen ums Leben gekommen. Nach dem traditionellen Freitagsgebet kam es in fast allen größeren Städten zu Straßenschlachten zwischen wütenden Demonstranten und der Polizei, wie pakistanische Medien berichteten. Die Regierung hatte angesichts der erwarteten Unruhen den Freitag zum Feiertag erklärt. Geschäfte und Tankstellen blieben geschlossen. In vielen Städten waren die Mobilfunknetze ausgeschaltet.



Pakistans Regierungschef Raja Pervez Ashraf verlangte international anerkannte Gesetze, um Hassreden gegen den Islam zu unterbinden. "Für uns ist es natürlich, dass wir emotional reagieren, wenn der heilige Prophet respektlos behandelt wird", sagte Ashraf.

Blasphemische Äußerungen wie in dem US-Video seien nichts anderes als Hassreden, die verboten werden müssten. Er wolle dieses Thema in der kommenden Woche auf der UN-Generalversammlung zur Sprache bringen.



In Peshawar, im Norden des Landes, zündeten Demonstranten Kinos an und demolierten Geschäfte. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Warnschüssen. Vor dem US-Konsulat hatte sich die pakistanische Armee positioniert, um die Mission vor einem möglichen Terroranschlag wie im libyschen Bengasi zu schützen. Die Straßen zu den US-Konsulaten in Karachi und Lahore waren abgeriegelt. In den beiden größten Städten des Landes versammelten sich erneut Tausende Demonstranten. Die Menge, bewaffnet mit Steinen und Stöcken, randalierte in Geschäften und zündete Autos und Reifen an.



Für die Hauptstadt Islamabad hatte Pakistans Innenminister Rehman Malik eine Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen angeordnet, nachdem wütende Demonstranten am Donnerstag das Diplomaten-Viertel und ein Luxushotel in der Nähe über Stunden hinweg belagert hatten. Am Freitag waren große Teile der Stadt abgeriegelt. Es kam dennoch zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.



Derweil bestellte das Außenministerium den US-amerikanischen Botschafter ein, um offiziell gegen den Film "Unschuld der Muslime" zu protestieren. Die US-Regierung hatte in Pakistan Werbekampagnen schalten lassen, um sich von dem Video zu distanzieren. Das US-Außenministerium hatte am Donnerstag für seine Bürger eine Reisewarnung für Pakistan erlassen.



Pakistans Regierung hatte kurzfristig den Freitag zum Nationalfeiertag zu Ehren des Propheten Mohammed (Ishq-e-Rasul) ausgerufen. Der Tag soll zu friedlichen Kundgebungen gegen das Schmäh-Video genutzt werden, hieß es zur Begründung. Offenbar hoffte Pakistans Regierung, die Empörung im Land kanalisieren zu können.