Die UN-Vollversammlung in New York steht vor einem Mammutprogramm

Ein Aufruhr und viele Dauerthemen

Überschattet von Krisen und Kriegen steuern die Vereinten Nationen auf den Höhepunkt in ihrem jährlichen Politkalender zu: 120 Staats- und Regierungschefs kommen zur Vollversammlung zusammen. Doch schnelle Lösungen werden sie auch hier nicht bieten können.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann
 (DR)

Die Mächtigen von US-Präsident Barack Obama bis Indiens Premierminister Manmohan Singh müssen sich bei der traditionellen Generaldebatte am Dienstag (25.09.2012) mit einem dicken Katalog brennender Probleme befassen: Neben den Konflikten wie in Syrien und dem Aufruhr in der muslimischen Welt dominieren die Dauerthemen Armut, Krankheit und Klimawandel.



"Bei der diesjährigen Generaldebatte werden wir so viel zu tun haben wie bei kaum einer anderen Generaldebatte zuvor", stimmt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Top-Politiker ein. Die "tumultartigen Zeiten" erforderten die volle Kraft der Regierenden, mahnt Ban. Doch Diplomaten dämpfen allzu große Erwartungen: Denn die UN-Vollversammlung kann keine völkerrechtlich bindenden Beschlüsse fassen. "Wir werden wohl kaum Lösungen für auch nur eine der Herausforderungen finden", heißt es.



Das gilt vor allem für den eskalierenden Bürgerkrieg in Syrien: Seit März 2011 kamen rund 20.000 Menschen gewaltsam ums Leben, weit mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder flüchteten vor der Gewalt. Die Vereinten Nationen jedoch schauen hilflos zu. Zwar werden die meisten Redner in der Generaldebatte mit ernster Miene das Blutvergießen verurteilen. Und es wird erwartet, dass der internationale Syrien-Sondergesandte Lakhdar Brahimi einen Friedensplan vorlegt: Doch nachdem der letzte Politiker abgereist sein wird, dürfte das große Sterben weiter gehen.



Auch die Beratungen im UN-Sicherheitsrat zu Syrien werden dem geschundenen syrischen Volk keine Hoffnung bringen: "Der Sicherheitsrat ist gespalten, die Vetomächte Russland und China verhindern ein entschiedenes Vorgehen gegen Assad", erläutert ein Unterhändler.



Zündstoff Mohammed-Video

Für Zündstoff bei den Vereinten Nationen wird zudem der Aufruhr in der muslimischen Welt sorgen: Politiker aus Ländern mit islamischer Bevölkerung kündigten schon an, das Schmähvideo über den Propheten Mohammed bei den UN offensiv zur Sprache zu bringen. "Der Westen hat die Islamophobie nicht als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt", klagt der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei will nun mit anderen muslimischen Staaten die UN auffordern, offiziell gegen Islamfeindlichkeit vorzugehen.



Religiös aufgeladen ist auch der Konflikt zwischen Israel und Iran - ein möglicher Angriff des jüdischen Staates auf die Atomanlagen des islamischen Gottesstaates hält die UN in Atem. Diplomaten fürchten, dass Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Israels Premier Benjamin Netanyahu die Feindseligkeiten in ihren Reden vor der Vollversammlung weiter anheizen.



Israels Premier machte bereits klar: Er wolle vor dem Plenum die "Wahrheit" aussprechen. "Das iranische Regime ruft zur Vernichtung Israels auf, unterdrückt seine eigenen Bürger, beteiligt sich an dem Morden in Syrien und baut die Atombombe", betont er. Auch der Streit um unbewohnte Inseln zwischen China und Japan dürfte vor der Vollversammlung hochkochen.



Angesichts der aktuellen Krisen drohen lang anhaltende Konflikte wie in Afghanistan, Somalia und der Demokratischen Republik Kongo bei der Vollversammlung kaum die nötige Beachtung zu finden. Ebenso versprechen sich Diplomaten keinen neuen Schub im Kampf gegen die Armut oder gegen die Erderwärmung. Hoffnung setzen UN-Funktionäre jedoch in die angekündigte Bildungsinitiative des Generalsekretärs Ban: Jedes Kind in jedem Land soll eine ordentliche Schulbildung erhalten. "Durch Bildung lehren wir unseren Kindern nicht zu hassen", erläutert Ban. Ein Erfolg seiner Initiative könnte dereinst die Feindseligkeit in der UN-Vollversammlung schwinden lassen.