Todestag des Jesuiten und Journalisten Mario von Galli

Auge des Konzils, Stimme der Reform

Vor 25 Jahren starb Mario von Galli. Der Jesuit und Journalist bot den Nationalsozialisten mit Herz und Witz die Stirn, war ein wacher Beobachter seiner Zeitläufte und erreichte mit seinen treffenden Analysen des Zweiten Vatikanischen Konzils ein Millionenpublikum.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Mario von Galli (KNA)
Mario von Galli / ( KNA )

Mario von Galli, der am 28. September 1987 starb, war alles andere als ein Mann der Furcht. Geboren am 20. Oktober 1904 in Wien, war der gesamte deutsche Sprachraum seine Heimat. Den Nationalsozialisten war er schon bald nach seiner Priesterweihe 1933 ein Dorn im Auge. Hoch gebildet durch sein Studium in Rom, in Österreich, Deutschland und den Niederlanden, predigte er in seiner Stuttgarter Zeit dergestalt gegen das NS-System, dass er 1935 Redeverbot erhielt und als Ausländer des Landes verwiesen wurde. Als er erfuhr, dass er bei seiner Ausreise an der Schweizer Grenze windelweich geprügelt werden sollte, verlegte Galli die Reise kurzerhand vor, überraschte den Grenzbeamten und überredete ihn, in die Akte "Alles ordnungsgemäß erledigt" einzutragen und ihn seiner Wege ziehen zu lassen.



Die Jahre der braunen Diktatur verbrachte er in Zürich als Prediger, Redner und theologischer Schriftsteller. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren folgte ein Intermezzo in Karlsruhe. Doch schon 1949 kehrte Galli nach Zürich zurück, um dort - von 1954 bis 1972 als Chefredakteur in der ehemaligen Fabrikantenvilla der Jesuiten in der Scheideggstraße - die theologische Zeitschrift "Orientierung" zu verantworten.



Sein wichtigstes Talent allerdings war die Rede. Galli als Prediger und Redner war eine Naturgewalt - nicht durch Pathos und große Geste, sondern durch die Kraft seiner Persönlichkeit; die Art, wie er den Einzelnen packen konnte: bei seiner Ehre, bei seiner Frömmigkeit oder seinem gesunden Menschenverstand. Pomp und sinnlose Strukturen erzeugten bei ihm heiligen Zorn. Als er einmal polterte, der päpstliche "Hof" müsse "weg" und dem Papst sei immer auch ein Hofnarr beizugeben, bemerkte ein Kommentator, Galli sei doch eigentlich selbst der beste Kandidat.



Hauptprediger bei mehreren Katholikentagen

In der Tat brachte er dafür hervorragende Eigenschaften mit, wie sich sein Weggefährte Ludwig Kaufmann (1918-1992) im Oktober 1987 an seinem Grab erinnerte. Noch mit über 80 Jahren trug Galli am liebsten Jeans - und konnte sich dennoch so nobel wie unbefangen auch unter den ganz Großen bewegen. Er beherrschte die Klaviatur der Ansprache: so brüllend und engagiert, "dass mancher Pfarrer Angst bekommen mochte, ob da nicht etwas abbröckelte ... von allem möglichen Firlefanz an der Kirche"; so leise und hoffnungsfroh, dass auch der letzte Zuhörer sich etwas mit- und vornehmen konnte; so humorvoll und doppelbödig, dass man verstand: Jaja, so läuft das Spiel.



Galli war Hauptprediger bei mehreren Katholikentagen. Seine größte Stunde aber schlug mit dem Konzil. Der Jesuit mit der kraftvollen Stimme, den wachen Augen und dem "neuen Klang" wurde Berichterstatter deutscher und österreichischer Rundfunksender in Rom. Mit seinen Kommentaren wurde die Zeitschrift "Orientierung" im deutschen Sprachraum zu einem Organ des reformorientierten Katholizismus - wie später auch Sprachrohr lateinamerikanischer Befreiungstheologen mit weltweiter Beachtung. Zudem war Galli häufig Sprecher des "Wort zum Sonntag" und Autor (seit 1980 Mitherausgeber) der Freiburger Wochenzeitschrift "Christ in der Gegenwart".



In seinen letzten Monaten begleitete Galli, den kritischen Beobachter, die Angst, so erinnerte sich Ludwig Kaufmann, dass er am Ende ein Prophet sein würde, der keine Spuren hinterlässt, dessen Wort und Urteil im Wind verwehen. Auch wenn er nicht bis heute über Anhängerschaft und Kultstatus eines Ratzinger oder Küng verfügt: Mario von Galli ist eine feste Größe in der deutschsprachigen Theologie und Kirche des 20. Jahrhunderts. Er ermunterte zum Glauben und Hoffen, "und er konnte das, weil er selber munter war".