Zweiter "Dialog Kindesmissbrauch über sexualisierte Gewalt"

Lob und Ansporn

Seit einem Jahr koordiniert Johannes-Wilhelm Rörig für die Bundesregierung die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Im Interview mit domradio.de lobt er die katholische Kirche, fordert aber auch weitere Anstrengungen.

 (DR)

domradio.de: Es ist in den vergangenen zwei Jahren viel Fachwissen und Erfahrung zusammengetragen worden. Im Bereich Prävention und Intervention gibt es ja auch umfassende Empfehlungen des Runden Tischs. Was ist jetzt ihr Anliegen?

Rörig: Die Empfehlungen des Runden Tisches müssen jetzt umgesetzt werden, in den Kindertagesstätten, in den Kirchengemeinden und in den Schulen. So dass der Schutz für die Kinder und Jugendlichen in diesen Einrichtungen verbessert wird.



domradio.de: Wie können Mädchen und Jungen die notwendigen und angemessenen Hilfen bekommen?

Rörig: Dann, wenn die Erwachsenen gut zuhören und Hilfe anbieten. Und Hilfe bekommen Kinder und Jugendliche zuerst durch Beratungsstellen. Die Beratungsstellen leisten hervorragende Arbeit für Kinder, die sexuellen Missbrauch erlitten haben, aber auch für die Angehörigen. Sie sind da ein wirklich wichtiger Anker und eine erste Hilfe, auch um später vielleicht Therapien vorzuschlagen.



domradio.de: Um was konkret geht es bei dem zweiten Hearing der Bundesregierung?

Rörig: Es geht darum, die Situation der Beratungsstellen zu verbessern. Die Beratungsstellen haben oft zu wenig Mitarbeiter und sind auch nicht finanziell abgesichert. Und da ist meine Forderung, dass die Länder und Kommunen hier ihre politische Verantwortung wahrnehmen und für die Stellen bessere Ressourcen zur Verfügung stellen. Ein anderes Problem ist, dass es in einzelnen Gebieten wie den Großstädten ganz gute spezialisierte Angebote gibt, aber wir haben große Defizite im ländlichen Bereich. Auch für Kinder und Jugendliche mit Behinderung oder Migrationshintergrund finden oft nicht in ihrem Umfeld die richtigen Beratungsstellen. Da gibt es erheblichen Nachholbedarf.



domradio.de: Wie sieht es im Raum der Kirchen aus?

Rörig: Die Beratungsstellen leisten sehr wichtige Beratung in den Schulen und den Kindertagesstätten. Sie sind in der Lage, altersgerecht Kinder auf die Gefahren des sexuellen Missbrauchs hinzuweisen. Das klappt sehr gut. Die katholische Kirche beispielsweise hat eine große Bereitschaft gezeigt, mehr zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt zu tun. Beweis dafür ist, dass Bischof Ackermann (der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, die Red.) mit mir eine Vereinbarung abgeschlossen hat, nach der er sich verpflichtet hat, den Schutz gegen sexuellen Missbrauch zu verbessern. Er hat auch zugestimmt, dass sich die katholische Kirche an Befragungen vor Ort beteiligt, um zu sehen, wie weit die Prävention, der Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt schon zur Anwendung kommt. Aber es geht es jetzt auch darum, dass beispielsweise die Fachkräfte - die Erzieherinnen, Erzieher, die Lehrer und Pfarrer - auch gut fortgebildet werden, so dass sie wichtiges Basiswissen im Umgang mit Kindern und Eltern haben.



Hintergrund: Johannes-Wilhelm Rörig hat am Dienstag (20.11.2012) zum zweiten Hearing "Dialog Kindesmissbrauch" über sexualisierte Gewalt eingeladen. Hier sollen Experten und Betroffene darüber reden, wie die Hilfe für die Betroffenen verbessert werden und die Rechte verstärkt werden können.



Das Gespräch führte Monika Weiß.