Kritik an Arbeitshilfe des Erzbistums Köln

"Bedauerliches Missverständnis"

Judenfeindliche Aussagen in einer Publikation des Erzbistums Köln? Der Leiter des Kölner Seelsorgeamtes, Pfarrer Markus Bosbach, bedauert im domradio.de-Interview einen Fehler bei der Erstellung einer Arbeitshilfe zum Eucharistischen Kongress im kommenden Jahr.

 (DR)

domradio.de: Was ist das für ein Text, der da zum Stein des Anstoßes geworden ist?

Bosbach: Der Text ist eine sogenannte Katechese, also ein Text, der sich mit einem Aspekt der Eucharistie beschäftigt. Er ist verfasst worden im Auftrag unseres Erzbischofs und dreht sich um die - wie es in der Überschrift heißt- Wunder des Altars, was also in der Eucharistie geschieht. Professor Böhler entfaltet dort ein Spektrum von Zugängen zur Eucharistie, ausgehend von den Befunden in der Heiligen Schrift, im Alten und im Neuen Testament.  



domradio.de: Was hat da so für Aufregung gesorgt?

Bosbach: Für Aufregung hat gesorgt eine Fragestellung, die ich im Nachhinein auch verstehen kann, die Aufregung. Da geht es um die Verhältnisbestimmung von dem alten und dem neuen Bund, also um die Frage, ob das Volk Israel dauerhaft erwählt bleibt. Oder, wie man es früher oft gesehen hat, der Alte Bund, der Bund mit Israel, durch den Neuen Bund in Jesus Christus abgelöst worden ist.  



domradio.de: Auch der Autor selbst fühlt sich missverstanden, warum?

Bosbach: Professor Böhler hat sofort auch mit uns Kontakt aufgenommen und gesagt, dass er eigentlich zwei Texte geschrieben hat, die zusammengehören. Und wenn man diesen ersten Text, den wir noch nicht versandt haben, dazu nimmt, wird eigentlich klar, dass Professor Böhler auch ganz klar steht zu der bleibenden Erwählung Israels als Gottes Volk und somit eben auch zum Fortbestehen des Alten Bundes. Das ist eben dann missverständlich in dem anderen Text, den wir versandt hatten, alleine nicht genug herausgekommen.  



domradio.de: Und Sie haben sofort reagiert und den zweiten wichtigen Teil des Textes heute an alle katholischen Seelsorger sozusagen nachgeliefert?

Bosbach: Ganz genau. Mit der Bitte, dass noch einmal mit diesem anderen Text zusammen neu zu lesen, um das auch besser zu verstehen, worum es Professor Böhler da geht, dass er eben auch richtig verstanden wird.  



domradio.de: Die katholische Kirche hat sich ja im Zweiten Vatikanischen Konzil ganz klar geäußert und sich dem Judentum positiv zugewandt, weit weg von alten anti-jüdischen Klischees und in dieser Tradition sehen Sie sich ja auch, oder?

Bosbach: Ganz bestimmt. Gerade auch die letzten beiden Päpste, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., haben ja die Lehre des Konzils weiter entfaltet und Johannes Paul II. auch immer von den älteren Schwestern und Brüdern im Glauben gesprochen. Alles, was wir in der Theologie auch dazu denken, darf dahinter auch nicht zurückfallen und dafür stehen wir auch im Erzbistum Köln. Ich habe auch den Rabbiner Brandt, der sich auch in dem genannten Zeitungsartikel sehr kritisch äußerte, angerufen und unser Bedauern mitgeteilt und auch noch einmal deutlich gemacht, dass wir auf keinen Fall im Erzbistum Köln hinter das Erreichte zurückfallen wollen.  



domradio.de: Wie hat der Rabbiner darauf reagiert?  

Bosbach: Er war erst einmal interessiert, den noch nicht versandten Text kennenzulernen. Ich hab ihm den zugeschickt und er ist bereit in eine theologische Diskussion darüber einzutreten. Darüber bin ich auch gespannt, ob er sich zurückmeldet oder vielleicht auch gleich auf den Autor Professor Böhler zugeht.  



domradio.de: Nun geht es bei dem Eucharistischen Kongress im kommenden Frühsommer ganz gewiss nicht darum, den Ungehorsam des Volkes Israels zu betonen. Das wäre ein großes und grobes Missverständnis, oder?

Bosbach: Auf jeden Fall. Jesus ist natürlich Teil des Volkes Israel. Von daher spielt das ganze Neue Testament in der Welt des Judentums und wenn wir auf Jesus schauen, schauen wir immer auch auf das Judentum zur Zeit Jesu. Aber bei der Eucharistie geht es natürlich auch um viel, viel mehr Aspekte. Der Eucharistische Kongress soll ein großes Fest des Glaubens werden, ein Fest der Freude am Glauben und darüber, dass Jesus gegenwärtig ist, dass er sich im Sakrament finden lässt und dass Menschen in der Feier dieses Glaubensgeheimnisses zusammengeführt werden.

Das Interview führte Hilde Regeniter (domradio.de)





Hintergrund



Zuvor hatte bereits der Sprecher des Kölner Erzbistums, Christoph Heckeley, erklärt, dass der Abdruck eines unvollständigen Textes zum Missverständnis geführt hatte, dass der Beitrag judenfeindlich sei. Eine Lektüre des Textes im Zusammenhang zeige aber, dass der Beitrag nicht antisemitisch sei. Inzwischen sei auch der fehlende Teil an die Adressaten, die pastoralen Mitarbeiter der Erzdiözese, versendet worden.



Im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag) hatte der Vorsitzende des Gesprächskreises "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Hanspeter Heinz, kritisiert, dass der Text den Kreuzestod Jesu als Sühneopfer für den Ungehorsam des ganzen jüdischen Volkes deute. Dies sei eine "antijüdische Keule". Der frühere westfälische Landesrabbiner Henry Brandt, jüdisches Mitglied im ZdK-Gesprächskreis, sprach von einem "horrenden Jonglieren mit Bibelversen".



Vorbereitung auf Kongress

Nach den Worten Heckeleys soll die Arbeitshilfe den pastoralen Mitarbeitern zur persönlichen theologischen Vorbereitung auf den nationalen "Eucharistischen Kongress" vom 5. bis 9. Juni in Köln dienen. Zu dem fünftägigen Glaubensfest nach Vorbild des Weltjugendtags werden rund 60.000 Besucher aller Generationen aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet.



Zentrales Thema des Treffens ist das Sakrament der Eucharistie, die in der Gestalt von Brot und Wein gefeierte Gegenwart Gottes. Auf dem Programm stehen Gottesdienste, Gespräche, theologische Vorträge, ein Kulturprogramm und ein Jugendfestival. Den Abschluss bildet ein großer Gottesdienst im Rheinenergie-Stadion.