Pfarrer Kober zum Streit um Dritten Weg

"Kirche braucht eigenes Arbeitsrecht"

Nächste Woche entscheidet das Bundesarbeitsgericht über den Fall eines Caritas-Pädagogen, der nach seinem Kirchenaustritt entlassen worden war. Ist das kirchliche Arbeitsrecht noch zeitgemäß? Ja, sagt Pfarrer Pascal Kober Interview.

 (DR)

Pascal Kober ist evangelischer Pfarrer und Mitglied des Bundestages.

domradio.de: Kritiker des kirchlichen Arbeitsrechtes sage, es sei nicht mehr zeitgemäß und führe zu hartherzigen Urteilen – passen die besonderen Rechte der Kirche ihrer Arbeitnehmer gegenüber noch in die Zeit?

Kober: Ich bin davon fest überzeugt, denn es geht dabei weniger um ein Privileg oder um das Selbstverständnis der Kirchen, sondern in erster Linie um das Selbstverständnis des Staates - was für ein Staat wollen wir sein? Wollen wir und in in die inneren Angelegenheiten der Kirchen, der Religionsgemeinschaften einmischen, ja oder nein? Da gibt uns unser Grundgesetz und unser Verständnis einer freiheitlichen, säkularen Gesellschaft klare Aufträge. Und in diesem Fall lautet der Auftrag: Misch dich da nicht ein. Und das sage ich als Politiker - "ich misch mich da nicht ein".

Als Privatperson habe ich da auch meine Auffassung in einzelnen Fragen, aber wer jetzt aus der Kirche austritt, und damit  sozusagen seine innere Verbindung zur Kirche sichtbar aufgibt, der sollte natürlich auch nicht die Erwartung hegen, dass er dann bei dem gleichen Arbeitgeber, dem er sozusagen seine Loyalität kündigt, weiter beschäftigt sein muss.

domradio.de: Die Zahl der Kirchenmitglieder nimmt kontinuierlich ab, in einigen Regionen haben die Kirchen schon Probleme, Mitarbeiter mit der passenden Konfession zu finden. Passt der kirchliche Anspruch an die Lebensführung- und einstellung noch zu einer so pluralen Gesellschaft wie der unseren?

Kober: Wenn die Kirchen keine Mitarbeiter mit einem Arbeitsrecht, wie sie es ausgestalteten haben, finden, dann ist das ein Problem der Kirchen. Ich als Politiker muss meine Gesetzgebung, das heißt, das Recht, an dem Ziel orientieren,  gerecht Verhältnisse zu schaffen. Das ist mein Auftrag. Wenn dann die Kirchen dann selber diesen Rechtsraum, diesen Freiheitsraum, ihre inneren Angelegenheiten, ihr Arbeitsrecht, selbst so gestalten, dass sie keine Arbeitnehmer mehr finden, dann ist das in der Tat deren Problem. Aber als Politiker mische ich mich da nicht ein.

domradio.de: Dass ein Arbeitnehmer loyal zu seinem Arbeitgeber stehen muss, regelt schon das allgemeine Arbeitsrecht, so argumentiert zum Beispiel der Grünen-Politiker Volker Beck. Ein spezielles krichliches Arbeitsrecht bräuchte es dann gar nicht. Wie sehen Sie das?

Kober: Ich glaube, es braucht schon ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht, weil bestimmte Fragen in arbeitsrechtlichen Fragen auch nur von den Kirchen selber entschieden werden können. Wenn wir das von säkularen Gerichten entscheiden lassen würden, würde das auch bedeuten, dass die säkularen Gerichte in das Innere der Kirchen mit hineinregieren.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn die Ehescheidung, die ja nach dem säkularen Staatsrecht möglich ist, aber in der katholischen Kirche abgelehnt wird, wenn aufgrund einer Ehescheidung jemand seinen Arbeitsplatz verliert, müsste das säkulare Arbeitsgericht möglicherweise theologische Beurteilungen treffen, in wie weit tatsächlich die Ausführung der Arbeit als Arbeitnehmer durch die Ehescheidung tangiert ist oder nicht. Und das würde zu weit gehen.

domradio.de: Sie sagen, dass der Staat seine Neutralität beschneiden würde, wenn er den Kirchen die Umsetzung der eigenen Wertmaßstäbe nehmen würde. Doch Kritiker wollen ja genau das, dass der Staat die Rechte der Kirche beschränkt – wie meinen Sie das?

Kober: Wir reden allgemein immer von der weltanschaulichen Neutralität des Staates, und leider verstehen viele darunter, dass der Staat weltanschaulich positionslos ist, neutral im Sinne von keine eigenen Werte und keine eigenen Wertvorstellungen. Das ist natürlich falsch, jedes Gesetz ist Ausdruck einer ganz konkreten Werthaltung der Abgeordneten beziehungsweise auch des Grundgesetzes, auf dem alle Rechtssetzung fußt.  Das heißt, wenn wir von weltanschaulicher Neutralität sprechen, dann bedeutet  das, dass der Staat in der Verantwortung ist, weltanschauliche Pluralität zu zu lassen.

Und in dem Maße, wo weltanschauliche Pluralität besteht, beispielsweise indem es Religionsgemeinschaften gibt, und die auch lebendig sind, dann gewinnt er an Neutralität, weil er da nicht mehr alleine das Monopol an Weltanschauung besitzt. Deshalb hat der Staat ein eigenes Interesse daran, um seine eigene Neutralität im Sinne von Pluralität zu gewährleisten, dass es Religionsgemeinschaften gibt. Dann muss er ihnen aber auch die Freiräume lassen, irhe inneren Angelegenheiten zu regeln, denn sonst würde er schon wieder mit seinen Wertmaßstäben in die Weltanschauung hineinregieren. Dann wäre es nicht mehr eine andere Weltanschauung, sondern seine eigene.

(Das Interview führte Mathias Peter.)